Der Schatz des Blutes
erzählt es mir.«
Sie waren nun vollständig bekleidet und saßen mit Naschereien und gekühltem Wein an einem Tisch am Fenster.
»Ich werde es Euch erzählen, aber zuerst muss ich noch etwas wissen. Glaubt Ihr wirklich, dass die Mönchsritter einen Tunnel in den Tempelberg graben?«
»Ja, das glaube ich.«
»Also gut. Wisst Ihr auch, was darunter liegt?«
»Unter dem Tempelberg? Nichts, nehme ich an, es sei denn, der Berg hätte Wurzeln.«
»Wisst Ihr, woher der Berg seinen Namen hat?«
Odo zuckte mit den Achseln.
»Weil einmal der Hebräertempel darauf gestanden hat, den Herodes erbaut hat.«
»Nicht nur darauf, sondern auch ringsum. Der Tempel war riesig, Odo, viel größer, als man erwarten würde, wenn man die Überreste sieht. Warmund interessiert sich sehr für die Geschichte Jerusalems und vor allem des Tempels. Er hat mir erzählt, dass ein weitläufiges Gelände dazugehört hat. Wisst Ihr, wann er zerstört worden ist?«
»Ich weiß nur, dass es lange her ist.«
»So ist es. Ein römischer General namens Titus hat vor über tausend Jahren die Stadt und den Tempel zerstört und die meisten Bewohner umgebracht. Die Überlebenden sind in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden. Die Stadt ist wiederaufgebaut worden, aber nicht von den Juden, denn es gab in ganz Judäa fast keine mehr. Und ohne Juden brauchte man demzufolge keinen jüdischen Tempel mehr. Die Römer hatten ganze Arbeit geleistet, und seitdem ist der Tempel unbenutzt geblieben.«
Odo nickte. Dann fragte er: »Ist das wichtig?«
»Natürlich ist es wichtig, genauso wichtig wie Eure Vermutung, dass die Mönche jetzt im Tempelberg Grabungen vornehmen. Warum sollte jemand seine Zeit damit vertun, einen Berg auf der Suche nach dem Schutt eines Gebäudes zu durchwühlen, das vor tausend Jahren zerstört worden ist? Wonach könnten sie suchen?«
»Nach einem Schatz?«
»Nach tausend Jahren? Was für ein Schatz könnte dort liegen, und wie sollten sie davon erfahren haben?«
Odos Miene erhellte sich.
»Sie haben eine Karte. Sie müssen eine Karte haben!«
»Was für eine Karte, und wer sollte sie gezeichnet haben?«
Ihre Stimme war voller Skepsis, aber sie dachte weiter laut nach.
»Warmund hat mir erzählt, dass der Tempel zur Zeit Jesu errichtet wurde und erst kurz vor seiner Zerstörung fertig geworden ist. Und wir wissen, dass die Römer mit Sicherheit alles Wertvolle an sich genommen hätten. Doch Warmund ging davon aus, dass der Tempel an der Stelle eines kleineren, viel älteren Tempels errichtet worden ist, nämlich des Salomonstempels.«
»Ihr meint König Salomon den Weisen?«
»Kennt Ihr noch einen anderen Salomon, der einen Tempel gebaut hat?«
Auf diese sarkastische Frage gab Odo keine Antwort. Ungerührt sprach sie weiter.
»Was ich nicht verstehe, ist Folgendes: Wenn diese Männer tatsächlich einen Tunnel graben, wie Ihr glaubt, warum tun sie es dann in den Stallungen. Und warum graben sie in den Fels?«
»Weil ihnen nur diese Möglichkeit offensteht. Denkt doch einmal nach. Sie können dort im Verborgenen graben, während man sie an jedem anderen Ort bemerken und ihnen Fragen stellen würde. Die Stallungen gehören ihnen, denn der König hat sie ihnen zur Verfügung gestellt. Selbst wenn die Arbeit dort schwieriger ist, ist es nicht verwunderlich, dass sie dort graben.«
»Nein. Nicht, dass ich an Eurer Begründung zweifle, doch es muss noch mehr dahinterstecken. Der Schatz muss ganz in der Nähe liegen. Trotz allem, was Ihr gesagt habt, würden sie ihre Grabungen niemals dort beginnen, wenn ihr Ziel eine Meile entfernt läge.«
»Das erscheint mir logisch.«
»Also müssen sie einen guten Grund gefunden haben, ihre Suche nach … dem vergrabenen Schatz dort zu beginnen. Sie müssen irgendetwas gefunden haben. Und vergesst nicht, dass sie Mönche sind, und zwar gerade erst, Odo. Sie sind voller Begeisterung und haben Armut gelobt, also dürften sie der Versuchung durch Habgier nicht erliegen. Was sie gefunden haben, muss von solchem Wert sein, dass sie dafür ihre gerade erst abgelegten Gelübde verraten würden.«
Sie hob die Hand, um ungestört weitersprechen zu können.
»Und da Ihr ein solch edler und pflichtbewusster Mensch seid, würdet Ihr also nun mit diesem Wissen zu meinem Vater gehen, wie es Eure Pflicht ist. Der König wird dann Eurem Bericht nachgehen, die Wahrheit herausfinden, und was auch immer er dann findet, landet zum Wohle des Reiches in der königlichen Schatzkammer. Und wer weiß, je
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