Der Schatz des Blutes
nachdem, wie wertvoll es ist, würdet Ihr vielleicht sogar eine kleine Belohnung für Eure Treue erhalten …«
»Ihr klingt so, als wäre das schlecht.«
»Aber nicht doch. Es wäre hervorragend … für meinen Vater. Eine Quelle des Reichtums, vielleicht sogar unermesslichen Reichtums, von der er bisher keine Ahnung hatte. Und er brauchte ihn mit niemandem zu teilen, weil er in seinem Hoheitsgebiet gefunden wurde. Er würde ganz allein ihm gehören.«
»Ich verstehe.« Odo lächelte jetzt ganz offen. »Und Euch wäre lieber, er würde ganz allein Euch gehören?«
Alice klimperte mit den Augen, und auf ihrer Wange erschien ein Grübchen.
»Aber natürlich. Ginge es Euch an meiner Stelle anders? Natürlich würde ich mich Euch gegenüber sehr viel großzügiger zeigen als mein Vater. Das müsste ich schließlich, nicht wahr, wo Ihr doch mein Geheimnis kennen würdet?«
»Wir sprechen hier von Hochverrat, Mylady. Von einem Verbrechen, auf das die Todesstrafe steht.«
»Unsinn, mein teuerster Bischof. Wir sprechen von Träumen und Fantasiegespinsten, mehr nicht. Bloßen Ideen, hinter denen wahrscheinlich gar nichts steckt.«
»Im Moment …«
»Das ist wahr.«
»Wie würdet Ihr denn vorgehen, Mylady, sollte sich das ändern?«
»Ich habe noch keine Ahnung, aber wenn das geschieht, werde ich es wissen. Diese Mönche sind nur zu neunt, diese Armen Soldatenkameraden Jesu Christi. Und sie haben ihre Laienbrüder nicht in ihr Tun eingeweiht. Es sollte also nicht schwierig sein, sie zu unterbrechen, wenn der Zeitpunkt gekommen ist.«
Auch sie lächelte jetzt breit.
»Ich bin mir sicher, dass wir einen Weg finden werden, die armen Brüder zu entschädigen, selbst für ihr verräterisches Tun. Werdet Ihr auf meiner Seite stehen?«
»Es ist gefährlich.« Der Bischof zögerte mit nachdenklicher Miene.
»Sollte der König es herausfinden …«
Doch dann begann er zu nicken, zuerst langsam, dann voller Nachdruck.
»Dennoch, ja. Ja, so ist es. Ich bin auf Eurer Seite.«
»Ausgezeichnet, Odo.«
Alice hatte die Stimme zu einem zufriedenen, kehligen Schnurren gesenkt.
»Nun kommt her zu mir, und dann schauen wir, ob wir beide nicht einen Weg finden, unseren Pakt zu besiegeln.«
6
N
ACHDEM ODO ENDLICH gegangen war, machte es sich Alice mit einem Fächer auf ihrem Diwan gemütlich, um nachzudenken. Obwohl sie Odo gegenüber die Zuversichtliche gespielt hatte, hatte sie keine Ahnung, was sie als Nächstes tun sollte, um das Geheimnis der Mönchsritter herauszubekommen.
Sie kannte Hugh de Payens zwar nur flüchtig, aber das reichte aus, um sie zu der Überzeugung zu bringen, dass es Zeitverschwendung sein würde, wenn sie versuchte, ihn sich gefügig zu machen. Zu lange hatte de Payens als Krieger gelebt, um sich mit einer Frau einzulassen, die beinahe seine Enkeltochter hätte sein können. Sein engster Vertrauter, Godfrey St. Omer, war aus dem gleichen Holz geschnitzt, freundlich und sympathisch, aber absolut nicht zu beeinflussen. Alice war schon öfter mit solchen Männern zusammengestoßen – humorlos, halsstarrig, die einzigen männlichen Wesen, die sie mit nichts erpressen konnte.
So blieb ihr nur eine andere Quelle – Stephen St. Clair. Sie zweifelte so sehr daran, dass sie bei ihm Erfolg haben würde, dass sie nicht in der Lage war, unvoreingenommen darüber nachzudenken. Er war der einzige junge Mann, der einem Frontalangriff ihrerseits widerstanden hatte, und sie glaubte nicht mehr, daran noch etwas ändern zu können. Ihr fiel keine List ein, die sie noch hätte versuchen können, denn sie hatte ihr ganzes Können schon bei jenem letzten unglücklichen Zusammentreffen eingesetzt.
Trotz der Wut, die sie empfunden hatte, weil er vor ihr geflüchtet war wie ein verängstigter Fasan, hatte sie nicht versucht, ihn zu bestrafen. Sie hatte sich eingeredet, dass sie ihn aus purer Menschlichkeit verschont hatte, weil er ein weltfremder Mönch war. In Wirklichkeit hatte es nur ihrem eigenen Schutz gedient: Niemand wusste von ihr und ihm, und sie hatte Angst, dass jemand die Wahrheit herausfinden würde, wenn sie der Sache weiter nachging, und dass man sie dann verspotten würde. Alice de Bourcq hasste den Gedanken, dass jemand über sie lachen könnte.
Irgendwann hatte sie sich selbst eingeredet, dass das Verhalten des jungen Mannes an jenem Tag mit seinen eigenen Problemen zu tun gehabt hatte und nicht als Beleidigung gedacht gewesen war. Gewiss waren seine angsterfüllte Blässe und seine plötzliche
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