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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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immer wieder jemanden geben, Prinzessin, der sich als unerträglich erweist und Euch ein ständiger Dorn im Auge ist … und dem Ihr dennoch nicht die Strafe angedeihen lassen könnt, die er verdient. Dann gibt es stets noch einen anderen Weg.«
    Er wies noch einmal auf die abgetrennten Ohren.
    »Der Besitzer dieser Körperteile wird nie wieder auftauchen. Er ist von der Erde und aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden.«
    Hassan hielt erneut inne und sprach dann sehr deutlich weiter.
    »Jeder kann verschwinden, Prinzessin. Jeder. Es gibt keinen Menschen auf der Welt, den man nicht auf plötzliche und rätselhafte Weise spurlos verschwinden lassen kann. Die meisten Menschen können sich das gar nicht vorstellen. Ihnen ist nicht klar, dass sich solche Dinge leicht arrangieren lassen und dass sie überall täglich geschehen. Und es geht noch weiter, Prinzessin: Kein Mensch ist davor sicher, zu jeder beliebigen Zeit vor aller Augen ebenso plötzlich wie brutal für ewig aus dem Weg geräumt zu werden.«
    Der Mund der Prinzessin war trocken geworden, und sie musste sich die Lippen anfeuchten, bevor sie antwortete. Sie verstand genau, was er ihr sagen wollte.
    »Ihr meint, man bringt ihn um, und zwar um der Wirkung willen, die der Mord erzielen wird.«
    »Exakt.«
    »Ihr meint wie die Assassinen. Die morden, um Schrecken zu verbreiten.«
    Hassan zuckte viel sagend mit den Schultern.
    »Es überrascht mich, dass Ihr von ihnen gehört habt, aber ja, wenn Ihr so wollt, wie die Assassinen. Die Hashshishin . Doch es ist unklug, von den Hashshishin und ihren Taten zu sprechen. Außerdem ist es unnötig. Mütter benutzen dieses Wort, um ihren Kindern Angst zu machen, damit sie sich benehmen. Die meisten Menschen glauben jedoch gar nicht, dass es die Hashshishin wirklich gibt … Wie dem auch sei, Prinzessin, ich möchte, dass Ihr ein Geschenk von mir annehmt: das Bewusstsein, dass sich die Dinge, von denen wir gesprochen haben, mit Leichtigkeit arrangieren und mit großer Wirksamkeit ausführen lassen. Ihr könnt mich jederzeit rufen lassen, und die Sache ist erledigt. Versteht Ihr, was ich Euch gesagt habe?«
    Es folgte eine lange Pause, bevor Alice den Kopf schüttelte, als sei sie verwundert, und dann sagte: »Ja, aber –«
    »Es gibt kein ›Aber‹, Prinzessin. Nur dieses Wissen. Vergesst es nie, aber behaltet es für Euch.«
     
    ALICE HATTE HASSANS DIENSTE nie in Anspruch genommen. Allerdings hatte sie den Mann so gut kennengelernt, dass sie nicht gezögert hätte, ihn zu rufen, wenn es nötig wurde. Zwar hätte ihr Vater ihn sofort hingerichtet, hätte er Hassans wahre Identität gekannt, doch Alice bewunderte und respektierte ihn – und sie war sich der Ehre wohl bewusst, die er ihr zuteil werden ließ. Schließlich war sie eine Frau, eine Christin und die Tochter eines Franken, drei Gründe, die ihm jeden Umgang mit ihr hätten verbieten sollen.
    Wie sie seit jener Unterhaltung vermutet hatte, gehörte er dem gefürchteten Geheimbund der Assassinen an. Er war ein schiitischer Moslem aus dem Jemen, der von Kind an dazu aufgezogen worden war, den Fedayeen zu folgen, einem Kult religiöser Eiferer, die bereit waren, für ihre Sache zu sterben. Den Namen Hassan hatte er zu Ehren al-Hassans gewählt, des Scheichs von Alamut, der eine besonders charismatische Figur in der vierhundertjährigen Geschichte der Assassinen war – und von dem jeder nur im Flüsterton sprach.
    Das Ziel der Assassinen war die Beseitigung der sunnitischen Elite; sie achteten peinlich darauf, dass bei ihren Anschlägen niemals Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen wurden – und die Waffe ihrer Wahl war der Dolch.
    Letzteres trug mit dazu bei, dass ihre Überfälle stets plötzlich, unerwartet und brutal vonstatten gingen und großen Schrecken verbreiteten. Oft bediente sich der Mörder irgendeiner Verkleidung, um sich seinem Ziel in aller Öffentlichkeit nähern zu können, sodass die Tat größtmögliche Aufmerksamkeit erregte. Natürlich hatten die Mörder oftmals keine Chance mehr zu fliehen, doch niemals begingen sie Selbstmord. Sie zogen den traurigen Ruhm vor, von ihren Häschern ermordet zu werden.
    Der Name Hashshishin, der bei den Franken zu Assassinen geworden war, bedeutete Haschischesser. Es hieß, ihre Todfeinde, die Sunniten, hätten ihn sich ausgedacht, weil sich die Assassinen vor ihren Überfällen mit Haschisch in Trance versetzten – ein lächerliches Gerücht, meinte Hassan. Natürlich, so räumte er ein, benutzten

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