Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
Vom Netzwerk:
Prinzessin zusammenband und sich ihre Oberkörper berührten, nackt und rasend vor Lust.
    Er hatte sein Keuschheitsgelübde gebrochen.
    Sein ganzer Körper fühlte sich an wie Blei, als er sein Pferd jetzt wieder zum Schritt antrieb. Warmund von Picquigny hatte ihm gesagt, er sei ohne Sünde, solange er nicht beabsichtigt hätte zu sündigen. St. Clair hatte ihm geglaubt, und er war tatsächlich auf dem Weg der Heilung gewesen. Die nächtlichen Heimsuchungen durch den Sukkubus waren in den letzten Wochen seltener geworden, und Stephen hatte sich besser gefühlt. Jetzt jedoch stand er wieder am Anfang. Hatte er sich aus freiem Willen an der Prinzessin vergangen?
    Angesichts seiner unter Schmerzen wiedergefundenen Erinnerung an das Geschehene schien es ihm kaum möglich zu, sein, dass er nicht willentlich an den Dingen beteiligt gewesen war, die ihm nun mit jeder Sekunde deutlicher vor dem inneren Auge standen. Er hatte sie genossen, das stand fest; er hatte die wollüstige Hingabe, die ausufernden Exzesse unendlich genossen. Das war ihm niederschmetternd bewusst.
    Doch es gab ebenso eine leise, hartnäckige Stimme in seinem Kopf, die ihn unablässig fragte, ob sein freier Wille dabei eine Rolle gespielt hatte. Hatte er sich willentlich und bewusst an diesen Ausschweifungen beteiligt? Teilweise ja, das wusste er über jeden Zweifel erhaben. Er erinnerte sich nämlich daran, wie er absichtlich den Kopf in die Kette gesteckt hatte, um ihre Körper aneinanderzubinden. Aber die Stimme verstummte nicht: Waren die Reaktionen seines Körpers bewusst von seinem Willen diktiert worden?
    Stephen wusste, dass dies eher eine Frage für einen Kleriker als für einen Soldaten war. Obwohl ihm klar war, welche Bedeutung sowohl diese Frage als auch die Antwort darauf hatte, resignierte er angesichts seiner Unfähigkeit, dazu einen klaren Gedanken zu fassen.
    Während er sich das Hirn zermarterte, begann sein Verstand, die zahlreichen, teilweise endlosen Lücken in seinem Gedächtnis, in denen völlige Leere herrschte, mit eindeutigeren Anhaltspunkten und bruchstückhaften Erinnerungen zu durchsetzen: daran, wie er Alice anstarrte und sie sah, als sei sie ein Zerrbild in einem unscharfen Spiegel; wie er sie beobachtete und dabei das Gefühl hatte, ihr seltsam schimmernder, schwebender Körper sei im Begriff, sich in nichts aufzulösen; wie ihm schwindelig wurde und sich das Gemach um ihn drehte, während er lachte wie ein Wahnsinniger … Er begriff, dass es in dieser Zeit Perioden gegeben hatte, in denen er keinerlei Kontrolle über sich selbst besessen hatte. Wie es dazu hatte kommen können, war ihm ein Rätsel.
    Dies war allerdings nicht das einzige Rätsel, das ihm seine Entführung aufgab. Es gab dazu keine Verbindung und keinen Übergang zwischen seinen Erinnerungen an die sexuelle Lust, die er in dem violetten Schlafgemach empfunden, und den Folterqualen, die er in der Kammer erlitten hatte, in der man ihn an ein Bett gekettet hatte. Auch hatte er keine Ahnung, wie er an diese Orte gekommen war oder wie er sie verlassen hatte – bis auf die vage Erinnerung an die unbekannte, verschwommene Frau, die ihn an seinem verletzten Handgelenk gepackt und ihn hinter sich hergezogen hatte, um ihn in die Freiheit zu führen und ihn dort allein zurückzulassen.
    Wieder begann er zu glauben, dass es einen Lichtschimmer in der Dunkelheit seiner Gedanken geben könnte, als ihm das blaue Juwel zu Bewusstsein kam, das er um den Hals trug. Beinahe unbewusst hatte er die Hand erhoben, um es zwischen Daumen und Zeigefinger zu nehmen, eine Bewegung, die ihm in den letzten Wochen zur Gewohnheit geworden war – und die jetzt eine erneute Serie von Offenbarungen und Selbstvorwürfen nach sich zog.
    Er hatte das Schmuckstück vor den anderen verborgen, er hatte es behalten, und – er musste sich die Wahrheit nun rücksichtslos eingestehen – er hatte es gestohlen . Ohne sich an seinem wahren Wert zu stören – ob es ein Juwel war oder wertloses Glas –, war er einer persönlichen Laune gefolgt. In seiner Entschlossenheit, es zu behalten, einfach nur, weil er es wollte, hatte er ein weiteres Gelübde gebrochen – das ihn zwar nicht direkt zur Armut verpflichtete, aber doch dazu, alles mit seinen Brüdern zu teilen und nichts für sich selbst zu behalten.
    Er spürte, wie sich diese Erkenntnis wie ein Mühlstein auf seine Schultern legte, und wäre er dazu imstande gewesen, so hätte er geweint. Doch er hatte keine Tränen in sich. So spürte er

Weitere Kostenlose Bücher