Der Schatz des Blutes
sich hin grunzten und murmelten und dann und wann schnarchten.
Er war nicht – wie er zunächst befürchtet hatte – wieder in dem höllischen Zimmer aus seinem Traum, in dem er an Händen und Füßen an ein schmales hartes Bett gekettet gewesen war.
Während ihm ein Schauer der Erleichterung über den Rücken lief, lauschte er angestrengt nach ungewöhnlichen Geräuschen. Irgendetwas hatte ihn geweckt, das wusste er. Und es musste etwas Bedrohliches gewesen sein, sonst hätte es ihn nicht aus dem Tiefschlaf gerissen. Doch er konnte nichts Besonderes hören. Nach einer Weile erhob er sich aus dem Bett, um sich lautlos zu voller Größe aufzurichten und zielsicher in der Dunkelheit nach seinem Schwert zu tasten, das neben dem Betstuhl in der Zimmerecke an einem Waffengestell an der Wand hing.
Behutsam zog er die Klinge aus der Scheide, die er auf seinem Bett liegen ließ, und trat dann geräuschlos an den türlosen Eingang seiner Zelle, wo er wieder stehen blieb und mit gezogenem Schwert gebannt lauschte.
Innerhalb von Sekunden hatte er die Atemgeräusche all seiner Kameraden ausgemacht und war sich so gut wie sicher, dass niemand sonst in der Dunkelheit des Gemeinschaftsraumes atmete, der von einer einzelnen Kerze spärlich erleuchtet wurde.
Doch was hatte ihn dann geweckt? Der tiefen Stille nach zu schätzen war es mitten in der Nacht – hätten er und seine Brüder tatsächlich einem christlichen Mönchsorden angehört, so wären sie jetzt alle in der Kapelle versammelt gewesen, um das Nachtgebet der Benediktiner abzuhalten. So jedoch lagen seine Brüder nach der langen, harten Arbeit im Tunnel im Tiefschlaf und stärkten ihren Körper für den nächsten Tag.
Bissot, dessen Zelle sich gegenüber der Stelle befand, an der Stephen stand, war der lauteste Schläfer unter ihnen. Gerade jetzt entfuhr ihm ein lautes Schnarchen, und er drehte sich heftig furzend um. Einer seiner Nachbarn – es klang wie Rossal – verfluchte ihn im Halbschlaf, und St. Clair gestattete sich ein kleines Lächeln.
Er kam zu dem Schluss, dass alles in Ordnung war und er nur von einem bösen Traum aus dem Schlaf geschreckt worden war. Doch gleichzeitig fragte er sich, was für ein Traum es gewesen sein konnte, der ihn so brutal weckte. Früher waren stets jene überwältigenden sexuellen Anwandlungen, die er so verabscheute, an seinen nächtlichen Störungen schuld gewesen. Diese hatten ihn allerdings eher angewidert als ernsthaft erschreckt. Diesmal jedoch war er von Angst erfüllt und hämmernden Herzens erwacht.
Er kehrte in seine Zelle zurück und fand eine Kerze, die er an dem Docht der Kerze entzündete, die draußen im Gemeinschaftsbereich brannte. Er steckte sein Schwert in die Scheide, hängte es wieder an seinen Halter und legte sich wieder ins Bett. Die Hände hinter dem Kopf verschränkt, blickte er zur Decke auf und fragte sich, was er wohl geträumt haben mochte.
Das flackernde Abbild eines Gesichtes blitzte hinter seinen Augenlidern auf, und wieder erschrak er so, dass er reflexartig zum Sitzen hochfuhr und sich die Arme schützend vor den Bauch hielt.
Woran hatte er nur gedacht?, fragte er sich hektisch, und die Frage war ein Aufschrei in der Stille seiner Gedanken. Doch im selben Moment kehrte das Gesicht zurück, unverwechselbar und unversöhnlich in seiner arroganten Schönheit, während eine sanfte Verletzlichkeit die schmollenden Lippen seines gebieterischen Mundes umspielte.
Er stieß einen ungläubigen Klagelaut aus und drehte sich seitwärts, um sich auf die Bettkante zu setzen. Mit fest geschlossenen Augen schlug er sich verzweifelt die Hände vor die Ohren, um jedes Geräusch auszuschließen.
Er wollte, konnte einfach nicht glauben, dass dies etwas anderes war als eine Heimsuchung durch den Teufel selbst. Gleichzeitig sah er Bilder von geradezu schmerzhafter Vertrautheit: Das blaue Juwel, das an der Schnur um seinen Hals hing, hatte in seinem Traum an einer goldenen Kette gehangen, einer Kette, die er in der Hand gehalten hatte, um das Schmuckstück zwischen die Brüste der Frau zu legen, die in dem luxuriösen Bett auf zerknitterten Seidenlaken neben ihm lag, der Frau, deren warmer, nackter Oberschenkel über seiner Hüfte lag und ihn gefangen hielt.
Der Frau, deren lächelndes Gesicht ihn jetzt auf die Beine brachte, sodass er panisch schwankend dastand.
Es war ausgeschlossen, dass er sich irrte. Und er versuchte erst gar nicht, es sich auszureden oder eine Entschuldigung zu suchen. Die Frau in
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