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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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nur, wie sich sein Ekel vor sich selbst vervielfachte. Der blaue Edelstein war wertlos, ein simples Stückchen Stein, das hübsch anzusehen war und sich angenehm anfühlte, trügerisch weich und von einer glatten Wärme, die ihn an das intime Innere von Alice de Bourcqs Oberschenkeln erinnerte.
    Kaum war dieser Gedanke in ihm aufgetaucht, als er sich das Schmuckstück auch schon vom Hals riss und es fortwarf. Im Flug zeichnete es sich deutlich vor dem Dämmerlicht des Himmels ab, und er hörte es auf einem Felsblock landen. Er starrte zu der Stelle hinüber, an der es zu Boden gefallen war, ohne es jedoch sehen zu können. Dieses kleine blaue Steinchen war untrennbar mit der Tatsache verbunden, dass er die drei einzigen heiligen Eide gebrochen hatte, die er je vor Gott oder den Menschen abgelegt hatte. Keuschheit, Armut und Gehorsam. Er war dreifach verdammt und verdiente es nicht zu leben. Alles, was ihm jetzt noch zu tun blieb, war, in die Wüste zu reiten und sein Leben im Kampf gegen die Ungläubigen zu opfern.
    Und so stieg Sir Stephen St. Clair, Ordensbruder der Armen Soldatenkameraden Jesu Christi, vom Pferd, um das Schmuckstück zurückzuholen, das er gerade weggeworfen hatte. Dann band er es mit der Schnur, die immer noch daranhing, sorgfältig am Knauf seines Schwertes fest, steckte das Schwert in die Scheide, ergriff die Zügel und stieg auf. Er steckte das stumpfe Ende seines Speers in die Halterung an seinem Steigbügel und gab seinem Pferd die Sporen. Trotzig ritt er ostwärts in den neuen Tag hinein, fest entschlossen, schnell und tapfer im Namen und zum Ruhme seines Gottes zu sterben.
2
    D
    IE NACHRICHT von St. Clairs Verschwinden erreichte die Prinzessin am Abend des zweiten Tages, nachdem er die Stadt verlassen hatte. Da die anderen Mönche seine Entführung nicht vergessen hatten, waren sie fest entschlossen, ihn diesmal zu finden, ganz gleich, wohin er gegangen war oder wer ihn diesmal entführt hatte. Sie begaben sich gemeinsam mit den Sergeanten daran, jeden, der in den Straßen Jerusalems unterwegs war, nach dem möglichen Aufenthalt des heldenhaften Bruder Stephen zu befragen.
    Am Morgen des dritten Tages erschien ein Bote am Eingang der Stallungen und fragte nach Bruder Hugh. Kurz darauf trat dieser mit verwunderter Miene seinen Dienst an Bruder Godfrey ab und brach mit dem Boten auf. Alles, was er sagte, war, dass man ihn in den Königspalast gerufen hatte und dass es um Bruder Stephens Verschwinden ging.
    Unmittelbar nach seinem Eintreffen im Palast führte man ihn in die Gemächer der Prinzessin Alice, die ihn mit zwei ihrer Hofdamen zu einer Privataudienz erwartete. So sehr er es gewohnt war, Männer zu befehligen und zu kontrollieren, so hilflos stand er Frauen gegenüber. Deshalb konnte ihm die Prinzessin innerhalb kürzester Zeit alles entlocken, was er über das Verschwinden des jüngsten Mönches wusste oder vermutete.
    Er erzählte der Prinzessin, dass Bruder Stephen schon einmal verschwunden war und er damals offenbar von Unbekannten entführt worden war, ohne dass man bis heute einen Grund dafür herausgefunden hätte. In letzter Zeit, so Hugh, hätte er zunehmend unter seinen Erinnerungen an die Folter gelitten, die er während dieser Entführung durchgemacht hatte.
    Alice spielte die Besorgnis in Person und erkundigte sich genauestens nach den Dingen, die dem jungen Mönch zugestoßen waren, und den Erinnerungen, die ihn plagten – denn das war das Letzte, womit sie gerechnet hätte. Dass sich St. Clair anscheinend an die Folter erinnern konnte, die sie damals befohlen hatte, machte sie ein wenig nervös, denn sie war ja davon ausgegangen, dass die Drogen, die man ihm verabreicht hatte, jede Erinnerung verhindern würden. Sie hatte angeordnet, dass man ihn so an Händen und Füßen fesselte, dass seine Gelenke deutliche Spuren davontrugen. Einmal hatte sie ihn auspeitschen lassen, denn ihr war klar gewesen, was für einen merkwürdigen Eindruck es machen würde, ihn völlig unbeschadet wieder freizulassen. Dass er sich nun an diese Zeit erinnerte, bereitete ihr große Sorgen.
    Zunächst war sie nur neugierig gewesen, als sie erfuhr, dass der Ritter ein zweites Mal verschwunden war. Doch sie ging nicht davon aus, dass er erneut entführt worden war. Der einzige Mensch, der ihrer Meinung nach dazu hätte imstande sein können, war Bischof Odo. Und Odo hatte weder die Willenskraft noch den Mut, ihr zu trotzen. Ihr Vater hätte auf direktem Wege gehandelt, wenn er irgendetwas von

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