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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Kirche zu vollbringen.«
    Alice war sprachlos. Was hatte ihr Vater mit der Bemerkung gemeint, die Tatsache, dass sich andere Frauen um den Prinzen zankten, brauchte sie nicht zu sorgen? Solche Kommentare hatte er in letzter Zeit häufiger geäußert, und sie wusste nie, wie sie darauf reagieren sollte. Stets setzte er dabei eine unergründliche Miene auf, und sein Ton ließ reichlich Raum für Zweifel an seinem Wissen – oder auch Unwissen – in Bezug auf ihre sexuellen Eskapaden. Wie schon so oft, fragte sie sich, was ihr Vater wohl unter seiner Maske der väterlichen Sorge tatsächlich von ihr dachte.
    Wollte er sagen, dass es ihr für den Fall, dass ihr Gemahl sich als untreu erwies, nicht schwerfallen würde, sich anderweitig zu trösten? Oder wollte er sagen, dass ihre eigene Schönheit ihr hinreichenden Schutz vor den Raubzügen anderer Frauen bieten würde? Sie konnte sich nicht entscheiden, was der Wahrheit näherkam. Eine Sekunde lang fragte sie sich, ob ihre Mutter vielleicht etwas gesagt hatte – die das Treiben ihrer Tochter schon vor längerer Zeit entdeckt und prompt gedroht hatte, es dem König zu sagen, wenn sich Alice nicht endlich so benahm, wie es sich für eine Prinzessin von Jerusalem geziemte.
    »Oh, und wie benimmt sich eine Gräfin denn, oder eine Königin von Jerusalem?«, hatte Alice zurückgeschossen und sie mit einer Reihe von Männernamen konfrontiert, angefangen mit dem alten Bischof Grosbec. Ihre Mutter war zunächst wie vom Donner gerührt gewesen, doch dann war sie wütend geworden und hatte konstatiert, was Alice sowieso schon wusste: dass sie noch nie einen anderen Mann angerührt hatte – oder sich hatte anrühren lassen – als ihren Gemahl.
    Doch darauf war Alice vorbereitet gewesen. Sie hatte sich nicht beirren lassen. Was hätte der Graf wohl gesagt oder getan, fragte sie ihre Mutter, wenn er beispielweise geahnt hätte, dass sich Morfia bewusst zum Objekt der Begierde eines älteren Bischofs machte, obwohl sie eigentlich nichts zu tun schien?
    Ihr Gespräch war lang und heftig und voller gegenseitiger Vorwürfe gewesen. Gleichzeitig war es seltsam ruhig vonstattengegangen, weil sie ja diskret sein mussten. Am Ende hatte eine angespannte Waffenruhe gestanden, und von diesem Zeitpunkt an begegneten die beiden Frauen einander mit argwöhnischem Respekt.
    Nein, beschloss Alice, ihre Mutter war es nicht gewesen.
    Ihr wurde bewusst, dass schon seit einiger Zeit kein Wort mehr zwischen ihr und ihrem Vater gefallen war und dass der König wahrscheinlich darauf wartete, dass sie etwas sagte. Sie holte tief Luft, lächelte ihm fröhlich zu und schüttelte den Kopf, als hätte sie gerade einen amüsanten Gedanken verworfen.
    Seine Miene wurde sehr ernst.
    »Nun denn, meine Tochter, ich werde dich mit diesen Gedanken alleinlassen. Doch sei gewarnt, dass ich darüber nicht mit mir reden lasse, und bereitete dich darauf vor, die Pflicht einer Königstochter zu erfüllen. Du wirst den Prinzen von Antiochia heiraten, und zwar so bald wie möglich. Das ist dein Schicksal, also finde dich damit ab und denk daran, dass es dir sehr viel schlechter gehen könnte. Der junge Mann wird begleitet von den besten Empfehlungen, und er brennt darauf, dein Gemahl zu werden, ohne dass er es auf die Krone Jerusalems abgesehen hätte, die für Melisende und Fulk von Anjou bestimmt ist. Bohemond hat große Pläne für Antiochien, das er über die syrische Grenze hinweg bis nach Aleppo und vielleicht sogar Damaskus erweitern will. Ihr werdet euch euer eigenes Königreich errichten, das dem meinen womöglich eines Tages sogar überlegen sein wird.«
    Alice starrte auf das Porträt in ihrer Hand hinunter und dachte über die Worte nach, mit der ihr Vater den jungen Mann angepriesen hatte. Bohemond sah gut aus, war liebenswert, wagemutig, abenteuerlustig und tapfer. Ihre Lippen verzogen sich verächtlich. Sie kannte viele Männer, doch es war keiner darunter, der mehr als zwei dieser Eigenschaften in sich vereinen konnte.
    »Nun? Hast du verstanden, was ich dir gesagt habe?«
    Alice setzte ihre reinste Unschuldsmiene auf.
    »Natürlich, Papa. Ich bin zugegebenermaßen ein wenig überwältigt, aber ich möchte dir nicht missfallen. Von nun an werde ich an nichts anderes mehr denken, und ich werde auf deine weiteren Anweisungen warten.«
    Sie zögerte, denn sie wusste, dass ihre nächste Frage ein wenig gewagt war.
    »Weiß Mama davon?«
    »Selbstverständlich weiß sie es. Sie war dabei, als alles arrangiert

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