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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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Lösegeld wert sein musste.
    Er hatte den Überblick verloren, wie lange sie ihn schon in ihrer Gewalt hatten; er wusste nur, dass er dem Tode nah gewesen sein musste, als sie ihn fanden – rasend vor Durst und zu keiner Verteidigung mehr imstande –, und dass er irgendwann wieder zu Bewusstsein gekommen war, schwach, aber bei klarem Verstand. Er hatte nur noch die zerrissenen Überreste des Hemdes am Leib, das er bei seinem Aufbruch aus Jerusalem getragen hatte.
    Er hatte keine Ahnung, ob seitdem Tage, Wochen oder Monate verstrichen waren, obwohl ihm sein gesunder Menschenverstand sagte, dass es höchstens Tage gewesen sein konnten. Wenn sich sein Zustand nicht rasch verbessert hätte, hätten ihn seine Häscher mit Sicherheit umgebracht oder zum Sterben liegen gelassen.
    Er konnte sich nicht erinnern, was aus seinem Pferd oder aus seiner Rüstung und seinen Waffen geworden war, doch er ging davon aus, dass er sich davon befreit hatte, bevor ihn diese Menschen fanden. Er wusste noch, dass er tagelang durch die Wüste geritten war, um dort den Tod zu suchen, doch er hatte niemanden angetroffen, mit dem er hätte kämpfen können. Und schließlich hatte er ein Wasserloch erreicht, das kein Wasser mehr enthielt.
    Dies hatte ihn zunächst nicht sehr bestürzt, und er hatte sich zum nächsten Wasserloch an dieser Wüstenroute aufgemacht, die er schon oft zurückgelegt hatte und die er ausgezeichnet kannte. Doch lange bevor er das tiefe Matschloch erreichte, das meilenweit die einzige Quelle des Lebens war, hatte er die Geier über der Stelle kreisen gesehen. Als er es endlich erreichte, sah er überall aufgequollene, stinkende Leichen, die schon so lange tot waren, dass ihr Geschlecht nicht mehr zu unterscheiden war und sie kaum als Menschen zu erkennen waren. Sie hatten das Wasser vergiftet.
    Er war angewidert auf die Knie gesunken und hatte die Dummheit und Verantwortungslosigkeit seiner Landsmänner verflucht, denn er wusste über jeden Zweifel erhaben, dass kein Moslem ein solches Verbrechen begehen würde. Es bedurfte der Selbstgerechtigkeit und der ungezügelten Torheit eines arroganten, hasserfüllten Christen, diese unbewaffneten Nomaden – das geschlachtete Vieh ringsum ließ keinen Zweifel daran, wer die Toten gewesen waren – nicht nur umzubringen, sondern zusätzlich ihre Leichen in die einzige Süßwasserquelle im ganzen Umkreis zu werfen und damit nicht nur die menschlichen Wüstenbewohner der Umgebung zum Tode zu verurteilen, sondern sämtliche anderen Wüstengeschöpfe, die auf das Wasserloch angewiesen waren.
    Unfähig, zu einem Gott zu beten, der ein solches Unrecht zuließ, war er weitergeritten. Inzwischen hatte er nur noch gefährlich wenig Wasser, und er wusste, dass er kaum eine Chance hatte, das nächste Wasserloch zu erreichen, bevor ihn der Durst in den Wahnsinn trieb.
    Offensichtlich hatte er es nicht geschafft.
    Er konnte sich erinnern, durch eine Reihe von Stürmen geritten zu sein, die ihn zunehmend verwirrt hatten, und als er sich seiner Umgebung das nächste Mal bewusst geworden war, war er ein Gefangener gewesen.
    Kurz nach diesem Erwachen war er dem Folterknecht zum ersten Mal begegnet, einem Schwachsinnigen, dessen größte Freude es war, Wehrlosen Schmerzen zuzufügen. Immer wieder bohrte er St. Clair einen angespitzten Knochensplitter in die Haut und grinste dabei sein leeres, boshaftes Grinsen, das die fauligen Zahnstümpfe in seiner sabbernden Mundhöhle freilegte.
    Nun hockte sich dieser Mann grinsend vor ihm hin und wedelte ihm mit seinem Schilfbündel zu, doch es war erloschen, und die Reste waren nur noch warm. Bei der Berührung mit seiner Haut brachen die verkohlten Enden auseinander, und Stephen spürte, wie ihm die pulvrige Asche über das Kinn wehte. Gerade, als der Folterknecht nach dem Knochensplitter zu tasten begann, den er in seinem Gürtel trug, erklangen Stimmen, und der Rest der Bande kehrte zurück. Der Schwachsinnige fuhr hoch und schlurfte den Männern entgegen.
    Kurz darauf kam einer von ihnen an das Feuer. Er ging gebückt, weil er eine ausgewaidete Ziege auf den Schultern trug, die er nun neben dem Feuer auf den Boden fallen ließ. Sein Blick fiel auf das Feuer, und er begriff, dass der Gefangene viel zu dicht neben den Flammen lag. Mit einem geknurrten Fluch begann er, ihn von der Hitze fortzuziehen. Er rief nach Hilfe, und ein zweiter Mann erschien. Gemeinsam beförderten sie den Franken wieder an die Stelle, an der er zuvor gesessen hatte. St. Clair

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