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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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einen winzigen Moment lang glauben, dass sich ihr Vater geirrt und aus Versehen nicht nach Melisende, sondern nach ihr geschickt hatte. Doch in derselben Sekunde begriff sie, dass sie es war, die irrte, und dass der Mann auf dem Bild gar keine Ähnlichkeit mit Fulk von Anjou hatte, der viel dunklere Haare hatte und mindestens zehn Jahre älter war.
    Alice kannte Fulk gut, allerdings als Rivalen um die Krone und das Königreich ihres Vaters, nicht als zukünftigen Schwager und Gegenstand ihrer Bewunderung. Verachtung für den Grafen und seine tumbe Braut stieg in ihr auf, doch dann wich sie der Neugier über den Fremden in ihrer Hand. Endlich blickte sie zu ihrem Vater auf.
    »Wer ist das, Papa?«
    Das Lächeln des Königs wurde noch breiter.
    »Sein Name ist Bohemond. Er ist Prinz von Antiochien. Sein Vater, Bohemond der Erste, war mein Freund. Sein Sohn, der jetzt Bohemond der Zweite ist, wird dein Mann werden.«
    »Mein Mann.«
    Die Worte klangen ungerührt, aber dann fuhr ihr Kopf zurück, und ihr Blick flammte auf.
    »Mein Mann? Ich brauche keinen Mann, Papa. Bist du verrückt geworden, dass du von mir erwartest, dass ich diesen Kerl heirate? Ich habe doch noch nie von ihm gehört !«
    »Das war bis jetzt auch nicht nötig. Genauso wenig ist es nötig, dass du mich provozierst.«
    Sein Tonfall war nachsichtig, doch niemand brauchte Alice an die brutale Gewalt seiner Ungeduld zu erinnern. Deshalb biss sie sich nur wütend auf die Lippe und zwang sich zu einer ausdruckslosen Miene, während er ihr in die Augen sah und sich jede weitere Äußerung des Trotzes verbat. Schließlich nickte er und fuhr in demselben sanften Tonfall fort.
    »Ruhig Blut, Tochter. Er passt gut zu dir.«
    Auf eine solche Torheit freundlich zu reagieren, strapazierte Alices Geduld aufs Äußerste. Irgendwie gelang es ihr jedoch, und als sie erneut das Wort ergriff, klang ihre Erwiderung lammfromm.
    »Aber woher willst du das wissen, Papa? Woher willst du wissen, dass dieser Mann mir nicht das Herz brechen wird? Ich bin doch noch nie in Antiochien gewesen; wie kann ich also hoffen, dass er zu mir passt, ein völlig Fremder? Hat er mich je gesehen? Weiß er, wer ich bin?«
    »Er hat genauso viel von dir gesehen wie du von ihm.«
    Der König wies auf die Miniatur in ihrer Hand.
    »Ich habe ihm vor zwei Jahren ebenfalls eine Miniatur geschickt – sicher erinnerst du dich noch daran, wie du dem Maler Modell gesessen hast. Der Junge ist neunzehn, also etwa in deinem Alter, und er hat seine Ausbildung nicht in Antiochien, sondern in Italien genossen. Wie zuvor sein Vater, ist auch er Prinz von Taranto. Er ist ein Vetter des Königs von Italien und Enkel des Königs von Frankreich, und nun, da er das Mannesalter erreicht hat, ist er hierher unterwegs, um seinen Platz als Prinz von Antiochien einzunehmen. Möglich, dass er im Lauf des kommenden Monats eintrifft, vielleicht aber auch erst in einem Jahr. Wie immer hängt es von Wind und Wetter und den Launen Fortunas ab. Doch wenn er da ist, werdet ihr so schnell wie möglich vermählt werden, um das vor dem Papst abgelegte Verlöbnisversprechen einzulösen, das seit eurer Kindheit besteht.«
    »Aber Papa!«
    Im ersten Moment fehlten ihr die Worte, und sie musste sich sammeln, bevor sie ihre Gedanken aussprechen konnte. Trotz ihrer Wut zwang sie sich zu einem gemäßigten Tonfall.
    »Der Mann könnte ein lallender Trottel sein!«
    Baldwin hob die Hand, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
    »Nein, meine Tochter. Genügend Verstand, an so etwas zu denken, musst du mir schon zutrauen. Der Prinz genießt hohes Ansehen, und man spricht nur gut über ihn. Da ich während seiner Jugend als Regent von Antiochien fungiert habe, habe ich stets mit ihm in Kontakt gestanden. Natürlich bin ich ihm seit Jahren nicht mehr begegnet, aber ich weiß, dass er hochgewachsen ist und so gut aussieht, dass sich die Frauen um ihn zanken – was dich natürlich nicht zu sorgen braucht.«
    Erneut wies er auf die Miniatur.
    »Wie du sehen kannst, hat er langes, lockiges, beinahe goldenes Haar, ebenmäßige, weiße Zähne und große blaue Augen. Man sagt ihm nach, dass er sehr vernünftig ist, mit seinen Dienstboten gütig umgeht und mit seinen Tieren freundlich. Die Männer, die er befehligt, bewundern und respektieren ihn und würden alles für ihn tun. Trotz seiner Jugend ist er bereits ein viel versprechender Krieger, und er träumt davon, hier in Outremer große Taten zum Ruhme Gottes und Seiner Heiligen

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