Der Schatz des Blutes
den ihm der Mann an die Lippen hielt, dann nickte er.
»Ja, das haben sie. Nicht viel und nicht sehr oft, aber immer, wenn sie gegessen haben, habe ich etwas abbekommen. Wer waren sie?«
»Tiere. Abfallfresser, Unreine, nicht wert, dass man über sie nachdenkt. Besser, dass sie tot sind. Nun haltet still.«
Seine Klinge glitt mühelos durch die Lederriemen, und diesmal folgte der Schmerz schneller, aber auch weniger heftig, und er verging schneller wieder. Bis St. Clair in der Lage war, mit zusammengebissenen Zähnen seine Finger zu bewegen, hatte der Fremde das Ziegenfleisch von seinem Spieß gezogen und es verlockend auf einer ovalen Metallplatte angerichtet, die er aus einer seiner Taschen gezogen hatte, zusammen mit einem langen, schmalen Brotlaib und einem kleinen Behälter mit Olivenöl.
Er ging vor St. Clair in die Knie und legte ihm Hand- und Fußschellen an. St. Clair versuchte zwar, sich zu wehren, doch er war viel zu schwach, und der Moslem ignorierte sein Protestgestammel. Als er sich wieder hingesetzt hatte, schob er seinem Gefangenen die Metallplatte hin.
»Hier, esst. Das Fleisch ist mit Knoblauch gewürzt – auf die fränkische Art, die ich mir angewöhnt habe, als ich vor Jahren unter Euch Ferenghi gelebt habe. Das Brot ist auf unsere Art gebacken, und das gepresste Olivenöl ist Allahs Geschenk an eine dankbare Welt. Esst. Ihr werdet Eure Kraft brauchen.«
St. Clair aß und stellte fest, dass er Heißhunger hatte. Als er satt war, gab ihm der Fremde noch einmal Wasser zu trinken und wies ihn dann an zu schlafen, da sie wahrscheinlich am Morgen aufbrechen würden. Stephen lauschte seinen Schritten, die sich einmal rings um das kleine Lager bewegten.
Erst als er allmählich in den Schlaf driftete – nach den grausamen Lederfesseln seltsam dankbar für die lockeren Hand- und Fußschellen –, begriff er, dass der Fremde wusste, wer er war, es von Anfang an gewusst hatte. Das erste Wort, das er gesprochen und dann wiederholt hatte, »Sanglahr«, war das, was seine Zunge aus St. Clair machte.
Jeder Gedanke an Schlaf war plötzlich vergessen, und St. Clair setzte sich auf und rief nach dem Fremden. Doch so genau er sich auch nach ihm umsah, es gab nichts zu sehen. Das Feuer war erloschen, denn es hatte keinen Brennstoff mehr, und es kam keine Antwort auf seine Rufe.
»SANGLAHR.«
Der Moslem hatte sich wieder über ihn gebeugt, doch als St. Clair diesmal die Augen öffnete, fühlte er sich so gut wie seit seinem Aufbruch in Jerusalem nicht mehr. Seine Hände und Füße fühlten sich besser an und beinahe frei. Es war noch fast dunkel – der Himmel über dem Kopf des Mannes wurde zwar allmählich blass, doch noch war er alles andere als blau.
»Woher wisst Ihr meinen Namen? Sanglahr – das ist doch mein Name, oder nicht?«
Der Mann sah ihn verwundert an.
»Er ist es doch, oder nicht? Ihr seid Sanglahr.«
»Das stimmt. Aber woher habt Ihr das gewusst?«
»Ich war auf der Suche nach Euch. Man hat mich beauftragt, Euch zu finden.«
»Wer? Wer hat Euch geschickt?«
Der Moslem zuckte beiläufig mit den Achseln. »Freunde.«
»Wessen Freunde, Eure oder meine?«
Auf den Lippen des Mannes flackerte der Hauch eines Lächelns auf.
»Fragt Euch doch einmal selbst, Sanglahr. Habt Ihr Freunde, die Euch in die Wüste schicken würden, um einen verirrten Moslem zu suchen?«
»Wie habt Ihr mich gefunden? Woher wusstet Ihr, wo Ihr suchen musstet?«
Der Fremde lächelte.
»Das war nicht so schwierig, Sanglahr. Das hier ist mein Land.«
»Das mag ja sein, aber diese Antwort reicht mir nicht. Woher habt Ihr gewusst, wo Ihr mit der Suche beginnen müsst?
Ich wusste ja selbst nicht, wohin ich gehe, als ich aus Jerusalem aufgebrochen bin. Und ich bin tagelang unterwegs gewesen, ohne einer Menschenseele zu begegnen.«
»Aye, aber das heißt ja nicht, dass Euch auch keine Menschenseele gesehen hat. Ich habe unter meinen Leuten verbreiten lassen, dass ich auf der Suche nach Euch war, einem einzelnen, verrückten Ferenghi , und dass man Euch in Ruhe lassen sollte. Es war Allahs Wille, dass man Euch kurz darauf gesehen hat, und die Nachricht hat mich rasch erreicht. Doch als ich in Eure Nähe kam, hatten Euch die Unreinen gefangen genommen. Ich habe Euch gefunden, und sie haben sich geweigert, Euch mir zu übergeben. Aber genug der Worte, denn Ihr wisst den Rest, und wir haben viel zu tun.«
Er warf St. Clair einen abschätzenden Blick zu.
»Ich habe Kleidung für Euch, damit Ihr Eure weiße
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