Der Schatz des Blutes
seine rasche Entscheidung hatte, und Hugh war völlig zu Recht der Annahme, dass er diese Gründe später erfahren würde – wenn die Zeit dafür reif war. Also stürzte er sich in seine neuen Pflichten und ließ sich von der Hitze des Augenblicks mitreißen, sodass er seine ganz persönliche Odyssee ins Heilige Land, wie fast jeder andere, der an diesem Tag in Clermont dabei war, in einem Zustand fieberhafter Ekstase begann und brüllend in den spontanen Schlachtruf » Deus Le Veult !« einstimmte.
» Deus Le Veult !«
Gott will es so! Es war ein Ruf, dem Hugh de Payens im Lauf der weiteren Jahre erst mit Misstrauen, dann mit Verachtung begegnen sollte.
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D
IE HYSTERIE, die an jenem letzten Tag des Konzils von Clermont entfesselt wurde, sorgte für allgemeine Überraschung, sogar bei Papst Urban selbst.
Monatelang hatte er daran gearbeitet, seine Ansprache akribisch vorzubereiten und die besten Worte für seinen emotionsgeladenen Appell zu finden, um diesen für seine hartgesottenen Zuhörer so unwiderstehlich wie möglich zu machen.
Urban hatte natürlich darauf gehofft, bei den gelangweilten, aufsässigen jungen Frankenrittern und ihren aristokratischen Herren Begeisterung für einen richtigen Krieg um eine ruhmvolle Sache zu wecken. Denn wenn er die Franken für sich gewinnen konnte, so wusste er, dass sich auch die anderen Ritter und Fürsten der Christenwelt anschließen würden. Dies war das wahre Ziel hinter Urbans Vorstoß in Clermont gewesen.
Er konnte nicht ahnen, was passieren würde, als er seinen Plan dann zu einem Zeitpunkt umsetzte, an dem zum Ausbruch einer Revolution ohnehin nicht mehr viel fehlte.
Die Stimmung der Menschen, die sich zu gleichen Teilen aus Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zusammensetzte, verband sich an jenem Dienstagnachmittag des 28. November 1095 mit ihren Lebensbedingungen, ihren Bedürfnissen und Überzeugungen zum perfekten Zündmaterial für den Funken der leidenschaftlichen Papstrede.
Das Ergebnis war völliges Chaos … ein unglaublicher, spontaner Ausbruch ungefilterter Gefühle, eine Massenbegeisterung, die alle Anwesenden ungeachtet ihres Geschlechts und ihrer gesellschaftlichen Stellung überrollte und sich dann weiterverbreitete, um auch die zu infizieren, die nicht dabei gewesen waren, sondern es nur von Dritten hörten.
So etwas hatte es noch nie gegeben, doch nun war es da. Und nur Stunden später begannen kühle Priesterköpfe mit der Einschätzung der Geschehnisse und der weiteren Planung, denn es war klar, dass hier etwas Außergewöhnliches in Bewegung geraten war. Papst und Klerus setzten Komitees ein, die sich mit den gewaltigen Sympathiebekundungen für den Papst und seinen Heiligen Krieg befassten. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf.
Der ursprüngliche Waffenruf des Papstes wurde so abgeändert, dass der Feldzug erst neun Monate später begann, im August 1096, als die Ernte eingefahren und gelagert war.
Während ganze Legionen päpstlicher Kleriker fieberhaft mit den Vorbereitungen beschäftigt waren, arbeitete der Rat des Ordens der Wiedergeburt auf seine eigenen Ziele hin. Nach sorgfältiger Erörterung der unerwarteten Gelegenheit, die Papst Urban dem Orden bot, waren ausführliche Pläne geschmiedet worden, um zu garantieren, dass die Ordensritter die Rückkehr ins Heilige Land tatsächlich bewerkstelligen würden. Denkbar, dass der Feldzug des Papstes scheiterte, dass die Armeen, die zum Großteil über Land marschierten, die Heiligen Stätten nie erreichten oder es ihnen nicht gelang, die ungläubigen Muslime nach vierhundertjähriger Besetzung der Heiligen Stadt zu vertreiben.
Doch der Orden kannte nur eine Priorität: im Fall eines Erfolges der päpstlichen Armeen und der Befreiung Jerusalems Männer vor Ort zu haben, die dann ungehindert vorgehen konnten.
Graf Hugh wusste von Anfang an, dass er sich dem Kriegszug des Papstes in diesem Jahr nicht anschließen konnte, da ihn seine eigenen Verpflichtungen in der Champagne zurückhielten. Schließlich hatte er gerade erst geheiratet und zudem umfangreiche Verbesserungen in seiner Grafschaft in die Wege geleitet. So wies er Sir Hugh de Payens und seine Ordensbrüder – genau wie jeden anderen Bauern und Bürger der Champagne, der in den Heiligen Krieg ziehen wollte – an, sich gut auf ihre Abwesenheit vorzubereiten. Er riet ihnen, vor dem Aufbruch ihre häuslichen Angelegenheiten und Verpflichtungen zu regeln und ihre Häuser sorgsam in Ordnung zu bringen.
Zum festgesetzten Zeitpunkt
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