Der Schatz des Blutes
Mylord, Mann. Ich bin ein einfacher Ritter in Diensten des Grafen Hugh de Champagne, und Ihr hättet mich ohne Schwierigkeiten finden sollen. Ich lebe hier ganz offen unter den anderen Rittern.«
Der Neuankömmling errötete, nickte aber nur bestätigend, ohne die Hand loszulassen, die de Payens ihm nun zu entziehen versuchte.
»Das weiß ich jetzt, Mylord, doch als ich mich bei meiner Ankunft nach Euch erkundigt habe, hat man mich nach Jericho geschickt und geschworen, dass Ihr dort lebt …«
»Ich sagte doch, dass mir der Titel Mylord nicht zusteht.« De Payens legte den Kopf schief und fixierte den Mann mit zusammengekniffenen Augen. »Warum sucht Ihr mich? Wer hat Euch geschickt?«
»Verzeihung, Mylord, aber der Titel steht Euch zu. Euer verstorbener Vater, Baron Hugo, hat mich persönlich zum Ritter geschlagen und mir Land zugeteilt, daher seid Ihr mein Lehnsherr, so wie Graf Hugh de Champagne der Eure ist. Was meinen Auftraggeber angeht, so glaube ich, dass Ihr wisst, wer es ist, wenn Ihr darüber nachdenkt, wer von Eurem Aufenthalt hier weiß.«
Bei diesen Worten bewegte sich seine Hand, um erst auf Hughs Fingerknöchel zu drücken und dann eine weitere, unverwechselbare Bewegung zu vollführen, die Hugh verriet, dass er es mit einem Mitglied des Ordens der Wiedergeburt zu tun hatte. Da der Mann seine Hand so hartnäckig festgehalten hatte, traf ihn dies nicht ganz unvorbereitet, und so ließ er sich nichts anmerken. Er erwiderte die Geste nur und zog dann endlich seine Hand zurück, um den Mann damit zum Sitzen auf einem anderen Stein einzuladen.
»Setzt Euch, Fermond«, sagte er, »und lasst mich Euch einen Rat erteilen. Lasst Euch nie die Gelegenheit entgehen, einen ordentlichen Stein für Euer Lagerfeuer mitzunehmen. In diesem Land liegen erstaunlich wenige davon herum, und die Frankenritter sitzen nicht gern auf dem Boden. Steine, die groß genug zum Sitzen sind, sind eine Kostbarkeit. Wenn Ihr länger hier seid, werdet Ihr feststellen, wie wahr das ist. Nun setzt Euch und erzählt mir, was Ihr für mich habt.«
Hugh wies mit dem Daumen auf Arlo.
»Dies ist Arlo, ebenfalls aus Payens. Er ist seit meiner Kindheit mein Begleiter, und er ist sowohl mein Freund als auch meine rechte Hand.«
Die beiden Männer begrüßten sich, und danach fuhr Hugh fort.
»Wann habt Ihr zuletzt etwas gegessen und getrunken? Wir haben einen Schlauch mit Wein, der zwar sauer ist, sich aber gefahrlos trinken lässt, etwas Brot von gestern und Ziegenkäse. Arlo, könntest du das holen?«
Er sah Arlo nach, dann wandte er sich wieder an de Fermond.
»Arlo besitzt mein ganzes Vertrauen, aber er gehört nicht dem Orden an.«
»Zunächst der Beweis, dass ich der bin, der ich zu sein behaupte. Ich war bei Eurer Weihe dabei.«
Hugh war erstaunt, doch er hatte es jahrelang geübt, sich seine Gedanken nicht anmerken zu lassen, daher saß er einfach nur reglos da, während es in seinem Kopf arbeitete. Er konnte sich nicht an diesen Mann erinnern. Ihm waren weder sein Gesicht noch sein Name vertraut. Der Mann hatte nichts an sich, was eine Erinnerung ausgelöst hätte. Außerdem hätte er geschworen, dass de Fermond ein paar Jahre jünger war als er selbst, doch wenn der Mann die Wahrheit sagte und er bei Hughs Weihe in Payens dabei gewesen war, musste er mindestens ein Jahr älter sein als Hugh.
Wenige Minuten später hatte ihm Fermond bewiesen, dass er die Wahrheit sprach, denn er erinnerte sich nicht nur genau an diesen Anlass, sondern er wusste auch noch, wer sonst noch dabei gewesen war und welche Reden gehalten worden waren. Er erinnerte sich sogar an eine Anekdote, die Hughs Großvater über die Weihe seines Sohnes Hugo erzählt hatte. Hugh hörte ihm mit Freude zu, und als sein Gast fertig war, nickte er.
»Offensichtlich seid Ihr der, für den Ihr Euch ausgebt. Also sagt mir doch bitte, was Ihr mir zu sagen habt.«
Doch de Fermond räusperte sich nur und sah sich um.
»Kann man hier vielleicht irgendwo spazieren gehen und sich unterhalten, ohne dass es jemand sieht oder hört?«
Hugh musterte ihn überrascht.
»In einer Karawanserei? Wenn Ihr unbedingt wollt, dass man Euch die Kehle durchschneidet. Allerdings ist dieses Gasthaus das einzige in ganz Outremer, das ich kenne, in dem es einen solchen ›sicheren‹ Ort gibt. Der Besitzer ist ein ehrlicher Mann, deshalb übernachte ich oft hier. In der Nähe gibt es einen Bach, der ein Stück weit aus der Oase in die Wüste fließt, bevor er im Sand versickert. Dort
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