Der Schatz des Blutes
monatelang zurechtlegen, was Ihr zu mir sagen würdet, und jetzt habt Ihr es gesagt. Ich hatte nur ein paar Minuten Zeit, es zu verarbeiten, und nun muss ich reagieren.«
Er verstummte und ging langsam und entschlossen weiter. Mit gesenktem Kopf beobachtete er die Staubwölkchen, die seine Sandalen auf dem Weg aufwirbelten. Schließlich prustete er noch einmal, legte seinem Begleiter die Hand auf die Schulter, um ihn zum Stehen zu bringen, und drehte ihn um, sodass sie einander ansehen konnten.
»Bei Eurer Ehre, Fermond, stammen diese Anweisungen von Graf Hugh, oder hat der Rat sie Euch erteilt?«
De Fermond zog ein verwundertes Gesicht und zuckte dann mit den Achseln, als wollte er fragen, ob das wirklich eine Rolle spielte. De Payens wartete, und schließlich hob Fermond die Hände.
»Vom Rat. Man hatte sie schon vor Monseigneur Toussaints Tod vorbereitet. Graf Hugh hat sie nur weitergegeben, eine seiner ersten Amtshandlungen nach seiner Ernennung zum Seneschall. Doch er ist es, der Euch die Insignien schickt.«
»Aye, das habe ich mir gedacht. Nun, Fermond, ich würde Euren Vorschlag gern nüchtern aufnehmen, aber das kann ich nicht, denn etwas so Idiotisches habe ich noch nie gehört. Man erwartet von mir … wie war das … einen Weg zu finden, in den Ruinen des Salomonstempels eine Ausgrabung durchzuführen? War es nicht so?«
Gaspard de Fermond räusperte sich erneut und nickte. Seine Miene nahm jetzt einen verlegenen Ausdruck an. Ihm war zwar nicht klar, was an seinen Worten idiotisch gewesen war, doch offenbar hielt ihn de Payens für einen Dummkopf.
Dieser dagegen nickte jetzt nachdrücklich.
»Aye, nun ja«, sagte er. »Oberflächlich betrachtet besteht hier keine große Schwierigkeit – abgesehen davon, die Brüder über einen längeren Zeitraum an einem Ort zusammenzubringen. Schließlich haben wir alle unterschiedliche Herren, die im ganzen Königreich, nein, im ganzen Heiligen Land verstreut sind. Jeder dieser Herren stellt andere dienstliche Anforderungen an seine Männer. Schon allein die Tatsache, dass nur wenige von ihnen unserem Orden angehören, macht Euren Vorschlag zum Problem, da er ja beinhaltet, dass wir alle Brüder in Jerusalem zusammenbringen, vielleicht sogar für einen mehrmonatigen Aufenthalt. Und dies, ohne irgendjemandem eine Erklärung dafür liefern zu können – die dringend notwendige Erklärung dafür, wer wir sind und warum wir uns hier in so großer Zahl und für einen solch langen Zeitraum versammeln wollen.«
Hugh sah sein Gegenüber an.
»Jerusalem hat keine Ähnlichkeit mit den Städten in der Christenwelt. Die Männer, die sich diese Anweisungen ausgedacht haben, haben keine Ahnung, was Jerusalem tatsächlich ist. Es ist eine Stadt, die gerade ihre Wiedergeburt erlebt. Wir haben sie bei unserem ursprünglichen Feldzug erobert. Ihr glaubt vielleicht zu wissen, was das bedeutet. Aber glaubt mir, wenn ich Euch sage, dass Ihr das nicht wissen könnt, wenn Ihr nicht dabei wart. Wir haben die Stadt und ihre Bevölkerung vernichtet. Am Tag, an dem sie in unsere Hände gefallen ist, sind wir knietief durch Blut gewatet. Wir haben jeden getötet, der hier lebte – zumindest jeden, den wir finden konnten, denn einige wenige sind entkommen. Dann hat die Stadt jahrelang brach gelegen wie ein stinkendes Leichenhaus. Es haben nur eine Hand voll Menschen dort gewohnt, bis König Baldwin vor ein paar Jahren begriffen hat, dass dies das Herz seines Königreichs ist und es doch nicht einmal stark genug ist, seine Tore vor Briganten zu verschließen.«
De Payens holte Luft.
»Danach hat sich vieles verändert. Es ziehen nun wieder Menschen in die Stadt, was nicht leicht zu bewerkstelligen war. Sie liegt isoliert; es gibt keine andere Festung in der Nähe. Der nächste Hafen ist Joppe, dreißig Meilen entfernt. Baldwin hat syrische Christen aus den Ländereien jenseits des Jordans in die Stadt geholt, denen er Land und Häuser für ihre Familien angeboten hat. Irgendwo hat er sogar Männer zum Wiederaufbau und zur Erweiterung der nördlichen Stadtmauer aufgetrieben Doch er musste sie auch ernähren, und rings um Jerusalem gibt es kaum Ackerbau. Also hat er die Lebensmittel, die in die Stadt kommen, von jeder Steuer befreit und Lebensmittel, die die Stadt verlassen, hoch besteuert. Mit anderen Worten: Er hat es möglich gemacht, dass es dort wieder eine beständige Einwohnerschaft gibt.«
De Payens wies mit einer Geste in die Richtung der fernen Stadt.
»Doch das ändert
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