Der Schatz des Ritters Hermelhain - Die Geisterreiter ; 1
Eisenring zu zerren. Es gab ein sanftes knirschendes Geräusch, ein bisschen Mörtelstaub rieselte auf den Boden. Der Ring bewegte sich zwei Zentimeter vor und verharrte dann, als sei er der Meinung, sich für heute genug bewegt zu haben.
Tommy griff mit zu, aber auch zu zweit konnten sie nichts ausrichten, und für mehr Hände war der Ring zu klein.
»Wir brauchen mehr Power«, keuchte Tommy und blickte sich im Stall um. Dann leuchteten seine Augen auf. »Pferdepower!«
Flocki freute sich, als Mia sie aus der Box holte. So eine Verfolgungsjagd wie letzte Nacht durch den Wald war mal was anderes gewesen als immer nur auf der Koppel zu grasen. Flocki schnaubte enttäuscht, als Mia ihr den Westernsattel auflegte, ein Seil am Sattelknauf befestigte und mit dem Eisenring verband. Dann gab sie der Stute einen Klaps. Flocki machte nach kurzem Zögern brav einen Schritt vorwärts und reckte dabei den Kopf, als sei diese Übung eigentlich ein bisschen unter ihrer Würde. Dafür war der Effekt enorm. Der Eisenring löste sich ächzend aus der Wand, und sie konnten sehen, dass er mit einer rostigen Eisenstange verbunden war, die nun aus dem Mauerwerk hervorkam. Dann gab es einen Ruck, Flocki blieb mit einem überraschten Schnauben stehen, zog dann aber noch einmal mit aller Kraft. Das Seil spannte sich gefährlich, dann gab es ein tiefes, polterndes Geräusch, als würden unter dem Stall riesige Mühlsteine gegeneinandergerieben. Der Boden vibrierte so stark, dass Ben die Brille von der Nase rutschte und Lara sich vor Schreck auf den Boden fallen ließ. Tommys Ketten klimperten, und sein Käppi rutschte ihm über die Augen. Fritz und Minka sprangen aufgeregt umher. Mia versuchte, das Gleichgewicht zu halten, und beobachtete den Fußboden, auf dem Strohreste und Futterkörner in die Höhe hüpften.
Es war Ben, den es erwischte.
Er hatte sich schon gewundert, warum der Boden unter ihm irgendwie weich wurde, da klaffte unter ihm schon ein dunkles Loch und die Steinplatte, auf der er stand, glitt wie von Geisterhand zur Seite.
»Oooooh!«, brachte er noch heraus, dann rettete er sich mit einem Sprung, der mehr ein Fallen war, auf sicheren Boden. Mit einem Mal wurde es still, und nichts bewegte sich mehr. Draußen hörte Mia die Vögel zwitschern und die Wagentür von Peters Geländewagen zuknallen. Sie waren also zurück von ihrem Gespräch mit der Bank. Das bedeutete, sie mussten sich jetzt beeilen.
»Los, wir müssen da runter!«, entschied Mia. Ben schüttelte den Kopf, als habe ihm jemand angeboten, einen Bauchklatscher vom Zehn-Meter-Brett zu machen. Zwei Stufen führten in die Tiefe, und was danach kam, konnte man nicht sehen. Es konnte alles Mögliche sein. Und wenn man Bens Gesichtsausdruck sah, schien er schon eine recht lebhafte Vorstellung davon zu haben, wer oder was da unten lauern könnte. Tommy klopfte Ben aufmunternd auf die Schulter. »Du bist unser Spurenleser, deswegen musst du zuerst gehen.«
»Viel zu du-dunkel, um Spuren zu erkennen«, versuchte sich Ben abwinkend aus der Affäre zu ziehen.
»Tommy, du bist der Mutigste, du solltest gehen«, schlug Lara vor. Als Mia das hörte, stürmte sie fast automatisch nach vorne. Tommy und mutig? Ein bisschen reiten konnte er und ein loses Mundwerk hatte er auch, aber mutig? Und überhaupt, wenn jemand mit komischen unterirdischen Gängen Erfahrung hatte, dann doch wohl sie! Entschlossen griff sie nach der Stalltaschenlampe, die Peter für alle Fälle am Eingang hängen hatte. Von draußen hörten sie Oma Maigrund rufen.
»Kinder, in zehn Minuten gibt es Abendbrot.«
Mia warf einen Blick in die Runde.
»Wir gehen da jetzt alle runter, sonst wird das unsere letzte Mahlzeit auf dem Hof.«
»Wieso glaubst du, dass das, was da unten ist, uns vor dem Rauswurf retten kann?«, fragte Tommy, der nicht damit einverstanden zu sein schien, dass Mia jetzt mutig voranging.
»Ich weiß nicht, was da unten ist, aber ich weiß, was uns da draußen erwartet«, und damit zeigte Mia in Richtung Essraum, wo es in ein paar Minuten die große Unterredung mit den Maigrunds geben würde, und die würde mit Sicherheit alles andere als angenehm werden.
Das schien zu wirken. Tommy nickte. »Lasst uns gehen!«
Der geheime Gang
Ein kühler Luftzug schlug ihnen entgegen, als sie die ersten Stufen in die Tiefe hinabstiegen. Das Licht von Mias Taschenlampe brachte sandsteinfarbene Wände zum Vorschein, die eine schmale Wendeltreppe umschlossen. Fritz und Minka hockten am Rand des
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