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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
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erklärte er ihnen. »Wir wissen nicht, was wir mit ihr anfangen sollen.«
    Klinger fühlte sich bemüßigt, ein weiteres Mal laut aufzulachen.
    »Was ist mit ihr?«, fragte Burchard, während sie die Treppe im Turm hochstiegen.
    »Sie hat gekämpft. Sie führt das Schwert wie ein Mann.«
    »Und?«
    »Sie hat einige Soldaten getötet, im Kampf Mann gegen…« Der Hauptmann stockte irritiert.
    »… gegen Frau«, ergänzte Klinger belustigt. Das viele Blut, die Toten, das Werk der Zerstörung, der Gewalt und des Hasses schienen ihn nicht im Geringsten zu verunsichern, ganz im Gegensatz zu Burchard, dem angesichts der misshandelten Leichen, über die sie steigen mussten, schlecht wurde.
    »Das heißt…« fragte Burchard, mühsam gegen die Übelkeit ankämpfend.
    »… ihr wollt sie am liebsten über die Klinge springen lassen«, ergänzte Klinger.
    »Sollen wir sie töten oder am Leben lassen?«, fragte der Hauptmann.
    Sie waren im obersten Stockwerk angelangt und traten durch eine Tür.
    Zwei Soldaten standen neben ihr. Sie war an Händen und Füßen gefesselt. Vor ihr lag ein weiterer Söldner, in seinem Hals steckte ein Dolch.
    »Hat sie den…?«, fragte Klinger.
    Der Hauptmann nickte.
    Klinger trat vor und musterte sie. Burchard blieb, kaum dass er einen Schritt ins Zimmer getreten war, wie angewurzelt stehen: Die Frau, die dort stand, in zerfetzten Kleidern, gefesselt, mit Blut an den Armen, Wunden und Striemen auf Brust und Schenkeln, roten und blauen Flecken im Gesicht, blutig aufgeplatzten Lippen, zerzaustem blonden Haar, das offen auf ihre breiten Schultern fiel, sah aus wie die blonde herrische Helga aus seinem Traum. Aber das Merkwürdigste an ihr war die Brosche, die ihr verrutschtes Gewand unterhalb der Brust gerade noch notdürftig zusammenhielt: eine silberne Brosche in Form einer Kogge.
    Burchard war so gebannt von ihrem Anblick, dass er die Frage nicht hörte, die der Hauptmann an die Gefangene richtete, auch ihre Antwort nahm er nicht bewusst wahr, er sah nur, wie sich ihre vollen, blutverkrusteten Lippen bewegten. Das Klatschen der Ohrfeigen, die der Hauptmann ihr rechts und links verpasste, hörte Burchard jedoch sehr wohl.
    »Lasst das!«, rief er laut und trat näher.
    Die Gefangene warf ihm einen stolzen Blick aus hellblauen Augen zu.
    »Wie heißt sie? Wer ist sie?«, fragte er.
    »Sie sagt es nicht. Wir könnten sie auf ein Rad binden und…«
    Burchard unterbrach den Hauptmann: »Bringt sie erst einmal nach draußen und werft ihr einen Mantel um.«
    Der Hauptmann und die beiden Bewacher zerrten die Frau aus dem Raum, in dem sich bereits die ersten Fliegen auf die Gesichter der Leichen setzten.
    Als Burchard und Klinger aus dem Turm traten, bemerkten sie dicke Rauchschwaden. Die Scheune in der Vorburg brannte lichterloh. Als sie näher kamen, sahen sie, wie eine nackte Frau, die schreiend aus der Scheune gestolpert kam, von den Soldaten, die das Gebäude umstellt hatten, zurück in die Flammen gestoßen wurde.
    Die Söldner wollten sie köpfen, weil sie gekämpft hatte wie ein Mann. Klinger schien an dieser Idee Gefallen zu finden, doch Burchard nahm ihn beiseite. Sie wandten sich Richtung Zeltlager.
    »Wir sollten sie mitnehmen«, schlug er vor.
    »Mitnehmen. Wohin denn?«
    »Nach Hamburg.«
    »Nach Hamburg? Als Trophäe unseres Feldzugs?« Klinger schien die Idee zu gefallen.
    Als Trophäe? Burchard war sich nicht sicher, ob er es so gemeint hatte.
    »Als Beweis für unseren erfolgreichen Feldzug.«
    »Diese blonde Furie«, sagte Klinger. »Wir könnten sie in einen Käfig stecken und vorführen.«
    »Sie ist noch jung«, meinte Burchard zerstreut. »Man könnte versuchen, sie zu läutern.«
    »Warum das?«
    Ja, warum? Burchard zögerte. Dann wusste er, was er wollte: »Ist es nicht das, was einem Christenmenschen gut ansteht, die Barbaren zu bekehren und Sünder auf den rechten Weg zurückzubringen?«
    »Wahr gesprochen«, entgegnete Klinger und grinste.
    Burchard ließ seinen Blick über die Burganlage schweifen. Noch immer quollen dicke Rauchschwaden aus der Scheune. Jegliche Lebenszeichen der dort hinein Getriebenen waren erstorben. Gelegentlich wurden Rauchfetzen ins Lager der Hanseaten geweht und brachten den ekelhaften Geruch von verbranntem Fleisch mit sich.
    »Wäre es nicht besser gewesen, wir hätten sie wie die anderen…?«, wandte Klinger ein.
    Burchard schüttelte den Kopf: »Auch das hätten wir nicht geschehen lassen dürfen.«
    »Wer nichts zerstört, gewinnt nichts.

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