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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
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erinnerte?
    Lautes, vielstimmiges Gejohle riss Burchard aus seinen Gedanken. Die Bombarden wurden geladen. Sah man da etwa ängstliche Gesichter hinter den Schießscharten? Würden die Belagerten schon angesichts der aufgestellten Wunderwaffen kapitulieren? Sicher nicht. Ein Wehrturm aus Stein war etwas anderes als eine Feste aus Holz. Womöglich hielt er dem Angriff der Feuerkugeln speienden Ungetüme stand. Was dann?
    Es kam ganz anders als erhofft. Das erste Geschütz war geladen, die Lunte wurde gezündet – und dann passierte einige spannungsvolle Sekunden nichts, bis das ganze Wundergerät explodierte und ein schauerliches Gemetzel unter den in unmittelbarer Nähe Stehenden anrichtete. Einige Tote waren zu beklagen, hinzu kamen nicht wenige Schwer-und zahlreiche Leichtverletzte. War da Gelächter hinter den Schießscharten zu hören?
    Jan Burchard eilte entsetzt zum Ort des Geschehens, warf einen Blick auf die grausig entstellten Körper, die im Schlamm lagen, und bemerkte den blutverschmierten Klinger, der sich den Kopf hielt und auf die Überreste des zerborstenen Geschützes starrte. Obwohl er direkt neben der Bornbarde stand, hatte er nur einige Schnittwunden abbekommen. Noch ziemlich abwesend und durch den Lärm offenbar auch halb taub geworden, ließ er sich von Burchard beiseite ziehen und verarzten.
    Dennoch gaben die Hanseaten nicht auf. Die zweite Bombarde wurde in Stellung gebracht. Diesmal verschanzten sich die Angreifer in gebührendem Abstand zu ihrer Wunderwaffe. Ein todesmutiger Freiwilliger zündete die Lunte, nahm die Beine in die Hand und sprang hinter einen Hügel in Deckung. Diesmal funktionierte das Geschütz. Die Steinkugel wurde mit ungeheurer Wucht gegen die Turmmauer geschleudert und zerbarst. Die Mauer bekam einige Risse, immerhin.
    Also wurde weitergeschossen. In großen Abständen, denn das Laden und Säubern der Bombarde erforderte eine gewisse Zeit, und Sorgfalt war vonnöten, wollte man sich nicht erneut in Lebensgefahr begeben. Gefährlich war die Angelegenheit dennoch für die Kanoniere: Eine ganze Reihe von abkommandierten Soldaten wurden von Armbrustpfeilen der im Turm Verschanzten niedergestreckt. Die Risse wurden Spalten, Backsteine lösten sich, Löcher entstanden, und mit den Eisenkugeln gelang es schließlich, die dicke Mauer zum Bersten zu bringen. Man beschoss die eine Stelle so lange, bis ein einigermaßen breiter Zugang zustande gekommen war.
    Darüber war es Abend geworden. Jan Burchard ärgerte sich, dass er den ganzen Tag mit Zuschauen vergeudet hatte, anstatt sich seinen Aufzeichnungen zu widmen. Seine reumütigen Bemühungen bei Kerzenlicht scheiterten an seiner Unfähigkeit, sich zu konzentrieren. Und dann versuchten die Turminsassen mitten in der Nacht einen Ausfall.
    Es war ein gespenstisches Geschehen bei fahlem Mondlicht. Sie kämpften Mann gegen Mann, mit Schwertern, Dolchen und nackten Fäusten. Das Klirren von Klingen auf Klingen, Schildern und Brustpanzern, das Wutgeheul und die Angstschreie dauerten etwa eine Stunde lang an. Dann versuchten übereifrige Söldner, hinter den zurück in den Turm Flüchtenden in die Festung einzudringen, wurden dabei aber niedergemacht.
    Zwei Geschützkugeln waren noch übrig. Die Bombarde wurde auf der der Bresche gegenüberliegenden Turmseite in Stellung gebracht. Nach zwei Schüssen, die nur der Ablenkung dienen sollten, stürmten die Soldaten der Hanse durch die am Vortag entstandene Mauerlücke. Der Kampf im Inneren des Turms begann. Es wurde ein schauerliches Gemetzel. Burchard gesellte sich notgedrungen zu Klinger, der das Geschehen von einem Hügel aus sicherer Entfernung beobachtete, denn deswegen waren sie ja hier. Lieber hätte er sich ins Zelt gesetzt und über ganz andere Dinge geschrieben.
    Stundenlang wurde gekämpft, und langsam wichen die Verteidiger nach oben zurück. Schließlich, am frühen Nachmittag, war es so weit: Die ersten Besiegten, manche tot, andere verletzt, wurden über die Turmzinnen geworfen. Burchard und Klinger verließen ihren Hügel und näherten sich dem Kampfplatz. Wenig später trieb man einige Frauen aus dem Turm. Ihre Kleider waren zerfetzt, einige weinten, die anderen blickten stumpf vor sich hin. Sie wurden von mehreren Söldnern durch das Tor aus der inneren Burg in die Vorburg und dort in eine Scheune getrieben.
    »Was geschieht nun mit ihnen?«, fragte Burchard.
    Klinger lachte nur.
    Dann wurden sie von einem Hauptmann in den Turm gerufen. »Da ist noch eine Frau«,

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