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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
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Familienchronik der Stadt, die noch dazu seine eigene Familie betraf, nicht als Allererstes vor dem Feuer rettete?«
    »Eitelkeit und Egoismus sind nicht gerade vorherrschende hanseatische Charaktereigenschaften.«
    »Pah! Gehen Sie mir fort mit solchen billigen Klischees. Wissen Sie, was der vorvorletzte Bürgermeister mal gesagt hat: Hanseaten legen Wert auf tugendhaften Lebenswandel und Seriosität im Geschäft, aber fragen Sie bloß nie jemanden, wie seine Vorfahren zu ihrem Reichtum gekommen sind. So verhält sich das in dieser Stadt! Und Sie können mir nicht erzählen, dass es in Ihrer Familie anders ist.«
    »Ich möchte Sie doch bitten, Ihren Hass auf diese Stadt etwas zu zügeln und vor allem meine Familie auszusparen, sonst müsste ich Sie nämlich bitten, augenblicklich dieses Haus zu verlassen.«
    »Entschuldigung, da ist wohl die Forscherleidenschaft mit mir durchgegangen.«
    »Darf ich Sie mal fragen, wo Sie eigentlich herkommen, Herr Discher? Ich meine Ihre Familie?«
    »Waschechte Ostfriesen, gnädige Frau.«
    »Also lassen Sie sich in dieser Angelegenheit sehr stark von Ihren persönlichen Gefühlen leiten. Ihren Lokalpatriotismus in Ehren, aber das scheint mir nicht die richtige Einstellung für einen wissenschaftlich arbeitenden Menschen zu sein.«
    Discher senkte reuevoll den Kopf. »Sie haben Recht, gnädige Frau.« Dann blickte er in ihre zusammengekniffenen grünen Augen: »Aber ich weiß, dass ich der Wahrheit auf der Spur bin. Ich vermute sogar, dass die angeblich verloren gegangene Chronik sich hier im Hause befindet.«
    Evelyne Burchard setzte sich kerzengerade auf. »Nun ist es aber genug! Sie nehmen sich zu viel heraus!« Sie klatschte in die Hände: »Antonio! Antonio!« Dann wieder an Discher gewandt: »Fehlt nur noch, dass Sie anfangen, das Haus zu durchsuchen.«
    »Ich hätte große Lust dazu, gnädige Frau.«
    Das transsylvanische Dienstmädchen erschien in der Flügeltür.
    »Antonio, der Herr möchte gehen. Sofort.«
    »Sehr wohl, gnädige Frau.«
    Evelyne Burchard stand auf. Jens Discher erhob sich aus seinem Sessel.
    »Nur eins noch, Frau Burchard.«
    »Nein! Gehen Sie! Ich will nichts mehr davon hören.«
    »Ich besitze ein veritables Beweisstück für meine These.«
    »Lassen Sie mich mit Ihren Frechheiten zufrieden, Herr Discher!«
    »Ich bin im Besitz einer silbernen Brosche aus dem Mittelalter, gnädige Frau.«
    »Was?«
    »Sie zeigt eine Hansekogge mit den Symbolen für Glaube, Liebe und Hoffnung: Kreuz, Herz und Anker.«
    »Was soll das nun wieder heißen?«
    »Wenn Sie mit der Geschichte Ihrer Familie vertraut sind, wissen Sie, was ich meine. Diese Brosche war lange Zeit verschollen. Ich habe sie gefunden.«
    »Na und?«
    »Im Tausch gegen eine Einsicht in Ihre Chronik würde ich Ihnen die Brosche überlassen.«
    »Das ist doch alles Unfug!«
    »Ist es keineswegs.«
    »Antonio! Führen Sie diesen Herrn hinaus oder rufen Sie die Polizei!«
    »Bitte, Herr Professor.«
    »Sie haben meine Telefonnummer, gnädige Frau. Rufen Sie mich an!«
    »Mein Herr!« Antonio umfasste seinen Oberarm. Sie hatte einen eisernen Griff, ihre Fingernägel waren durch den Stoff der Wildlederjacke deutlich zu spüren.
    »Bin schon auf dem Weg.«
    Sie führte ihn am Arm durch den Flur und die Halle zur Haustür, schob ihn nach draußen und knallte die Tür hinter ihm zu.
    Als er die Treppe langsam nach unten stieg, lachte Jens Discher leise vor sich hin und murmelte: »Sie ruft an, wetten, dass sie anruft? Sie ruft an, jede Wette!«
    Dann ließ er einen Linienbus vorbei, überquerte die Straße und stieg in seinen klapprigen Renault.

23. FEBRUAR NACHMITTAGS
    Jens Discher hatte seine Tochter, die er am Bahnhof von Hemmoor hätte abholen sollen, völlig vergessen. Auch dass er dringend Lebensmittel einkaufen musste, war ihm entfallen. Und das, obwohl er doch immer bemüht war, einen halbwegs alltagskompetenten Eindruck zu machen, wenn seine Tochter sich angesagt hatte. Mehr als einen übertriebenen Ordnungssinn konnte man ihm in dieser Hinsicht allerdings nicht zugute halten.
    Es lag nicht daran, dass er per Funk Kontakt mit einem Kollegen in Feuerland, Japan, Kirgisien oder der Antarktis aufgenommen hatte. Auch der miserable bauliche Zustand seines Resthofes machte ihm kein Kopfzerbrechen. Es war Evelyne Burchard, die ihn ins Grübeln brachte. Diese gottverdammte Othmarschener Fregatte meldete sich nicht! Dieses dünkelhafte Hanseatenweibsstück! Diese unkooperative Ziege! Sie hatte es in der

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