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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
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in seinen Schoß, und es waren lauter kleine seltsam geformte Broschen mit einem Schiffsheck, auf dem ein Kreuz zu erkennen war. Das Mädchen lachte und lief davon. Er rannte ihm nach, wollte es bestrafen. Es lief auf einen Hügel zu. Der Hügel öffnete sich, er rannte hinter ihm her in eine rot erleuchtete Höhle. Antonia und Marie kamen, eilten ihm mit ausgestreckten Armen entgegen und warfen sich auf ihn, und es waren Hunderte, ja Tausende von Antonias und Maries, die sich über ihn wälzten und ihn erdrückten. Er riss das Kreuz unter dem Kopfkissen hervor und schlug ihnen den Kopf ab. Die Köpfe kugelten ins Innere der Höhle, dann kamen sie zurückgerollt. Eine Lawine aus Mädchenköpfen. Er schrie.
    Das Kreuz hoch erhoben, schweißnass und am ganzen Körper zitternd, fand er sich keuchend im Bett sitzend.
    Ein nahezu voller Mond schien durch das offene Fenster. Waschtisch und Stühle warfen ein scharfes Schattenmuster auf den Boden. Seine Blase war zum Bersten gefüllt. Er hatte zu viel Bier getrunken.
    Er stieg aus dem Bett, suchte nach dem Nachttopf und fand keinen. Er fluchte, merkte, dass er noch immer das Kreuz in der Hand hielt und murmelte eine Entschuldigung.
    Er ging zur Tür, drehte den Schlüssel herum und verließ das Zimmer. Nachdem er vorsichtig die Treppe ins Erdgeschoss hinuntergestiegen war, stolperte er durch den Gang in den Hinterhof.
    Ihn fröstelte, als der kühle Wind der Sommernacht über seine schweißnassen Glieder strich. Er eilte zum Abtritt und leerte seine Blase. Es dauerte eine halbe Ewigkeit. Danach fühlte er sich mehr als erleichtert. Er trat wieder auf den Innenhof und zuckte zusammen. Eine weiß gewandete Gestalt kam ihm entgegen. Marie, im Nachthemd, angestrahlt vom weißen Licht des Vollmonds. Ein heißes Kribbeln durchfuhr seinen Körper. Schon wollte er die Arme ausstrecken, ihr entgegeneilen, sie an sich ziehen, da hörte er einen Pfiff und sah, wie das Mädchen in einem Mauerdurchgang verschwand. Er schlich zu der Stelle, wo es verschwunden war, und spähte in den benachbarten Garten. Er hörte kehliges Lachen, ein kurzes leises Aufschreien, dann wieder Lachen, das sich entfernte.
    Er wagte es nicht, das fremde Grundstück zu betreten. Er fühlte sich ohnehin schon schuldig. Das, was er sich jetzt vorstellte, was Marie in irgendeiner verborgenen Nische trieb, war eine Sünde. Je länger er dastand und je größer das Verlangen wurde nachzusehen, wohin sie gegangen war, umso mehr verachtete er sich. Er horchte, hörte nichts mehr, war erleichtert und enttäuscht zugleich und konnte sich nicht losreißen. Irgendwo wurde ein Fenster aufgestoßen, und jemand leerte den Inhalt seines Nachtgeschirrs in den Hof. Er zuckte heftig zusammen, wandte sich um und lief ins Haus.
    Erst als er im Zimmer angekommen war, bemerkte er, dass er die ganze Zeit das Kreuz in der Hand gehalten hatte. Er lächelte. Das Kreuz hatte ihn vor einem Fehltritt bewahrt. Er schob es unters Kopfkissen, legte sich ins Bett und schlief den Rest der Nacht einen traumlosen Schlaf.
    Er wurde von dumpfem Getrappel und lauten Rufen geweckt. Dann hörte er ein Muhen, dem kurze Zeit später andere Rindviecher müde antworteten. Jemand klatschte in die Hände, eine männliche Stimme schimpfte vor sich hin. Dann ein Mädchenlachen.
    Martin Burchard stieg aus dem Bett und öffnete das Fenster. Im Hinterhof standen zwei Kühe. Daneben der Wirt und Marie. Die beiden versuchten, die Kühe, die offenbar in einem Stall neben den Abtritten übernachtet hatten, durch den Hof zu einer Tür in der Mauer zu schaffen. Die störrischen Tiere bewegten sich allerdings kaum von der Stelle. Der Wirt schlug gelegentlich mit einem Stock auf sie ein. Marie strich der Kuh, die sie am Strick führte, über den Kopf und redete leise mit ihr. Auf diese Weise schaffte sie es, das Tier aus dem Hof auf die Straße zu manövrieren, wo zwei Kuhhirten mit einer ganzen Herde warteten, die auf die Bürgerwiese getrieben werden sollte. Der Wirt zerrte die andere Kuh fluchend hinterher.
    Burchard bemerkte einen durchdringenden, modrig-fauligen Geruch, und dann sah er die Bescherung: Offenbar hatte jemand auf dem Nachbargrundstück versucht, eine Güllegrube oder einen Abfluss zu reinigen. Eine Flut von Kot und Unflat hatte sich in den Hinterhof ergossen. Es stank ganz erbärmlich zum Himmel. Burchard hielt es nicht mehr länger aus. Obwohl er Marie, die jetzt auf der Straße mit den Kuhhirten scherzte, gern weiter zugesehen hätte, zog er den Kopf

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