Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
stabil waren. Heute Nacht würde hoffentlich kein Teil des Hauses vom Wind fortgerissen werden, dennoch fiel es mir schwer, Schlaf zu finden. Es knackte und klopfte im Holz, der Regen trommelte gegen die Fensterscheiben, dann hörte ich ein Geräusch, das nicht dem Wetter zuzuschreiben war. Ich setzte mich auf, entzündete eine Kerze und lauschte. Da war es wieder! Es hörte sich an, als ginge jemand mit festen Schritten in dem Zimmer über mir auf und ab. Das war an sich nichts Ungewöhnliches, hätte es sich bei dem besagten Raum nicht um das ehemalige Zimmer der verblichenen Lady Mabel gehandelt – der Lady, die den Freitod einer Heirat mit einem ungeliebten Mann vorgezogen hatte und seitdem als Geist in Cromdale umging. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass es gerade Mitternacht geschlagen hatte. Wie passend! Seufzend erhob ich mich und schlüpfte in den Morgenmantel. Nun, Harrison schlich in der Nacht im Keller herum und klopfte Wände ab. Warum sollten Glenda oder Violet nicht als Gespenst verkleidet das Haus unsicher machen? Ich verspürte keine Angst, sondern nur eine grenzenlose Verärgerung. Maggie Baldwins Warnung, in der Halloweennacht das Haus nicht zu verlassen, fiel mir wieder ein. Das hatte ich keinesfalls vor, aber ich musste wissen, wer da oben herumschlich und, vor allen Dingen, warum diese Person das mitten in der Nacht tat.
Auf den Gängen und auf der Treppe war alles ruhig. Ich ging zuerst zu Violets Zimmer und drückte leise die Klinke nach unten. Ich hatte erwartet, ein leeres Bett vorzufinden, doch zu meinem Erstaunen lag Violet tief schlafend in den Kissen. Der Schein meiner Kerze schien sie nicht zu wecken, so dass ich einige Minuten dastand und ihre Schönheit betrachtete. Im Schlaf sah sie wie ein Engel aus.
Da Violet also ausschied, musste es Glenda sein. Was hatte sie in Lady Mabels Zimmer, das nie benutzt wurde, zu suchen? Ich tappte die Wendeltreppe nach oben. Deutlich konnte ich wieder die Schritte hören. Ich war noch einige Meter von der Tür entfernt, als plötzlich ein lang gezogener Klagelaut durch die Mauern hallte, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es klang wie der Schrei einer von unsäglicher Pein gequälten jungen Frau, keinesfalls war es Glendas tiefe Stimme. In dem Moment, als mir das bewusst wurde, öffnete sich knarrend die Tür des unbewohnten Zimmers. Eine durchscheinende Gestalt, deren Konturen wie Nebelschwaden waberten, schwebte langsam auf mich zu, doch ich konnte keine Gesichtszüge erkennen. Aber eines bemerkte ich: Die Erscheinung war viel kleiner und zierlicher als Glenda MacGinny. Erneut erklang ein Klageseufzer, und alles in mir schrie nach Flucht. Ich erinnerte mich daran, das Kräutersäckchen in die Kommode gelegt zu haben, und wünschte mir, es jetzt an meinem Körper zu tragen. In diesem Augenblick war ich bereit, an sämtliche Geister der Welt zu glauben. Langsam wich ich zurück, doch die Gestalt näherte sich unaufhaltsam.
»An Halloween kommen die Geister der Verstorbenen zurück, deren Leben vor ihrer Zeit beendet wurde.«
Die Worte dröhnten in meinem Kopf. Abwehrend hob ich die Hände, dabei fiel die Kerze zu Boden und verlosch. Es war auf dem Flur nun stockdunkel, dennoch hörte ich das Klagen und Atmen der geisterhaften Erscheinung. Mit letzter Kraft drehte ich mich um und wollte fortlaufen. Blind stolperte ich über etwas, das auf dem Boden lag, und schürfte mir die Ellbogen an der rauen Wand auf.
»Lucille«, hörte ich den lang gezogenen, klagenden Laut in meinem Rücken. »Es ist sinnlos zu fliehen! Du entkommst mir nicht!«
Verzweifelt presste ich mich an die kalte Wand, unfähig, mich auch nur einen Schritt zu rühren. Ich hoffte, jeden Moment aus diesem furchtbaren Albtraum zu erwachen.
»Was willst du von mir?«
War das meine Stimme, die hysterisch diese Worte krächzte?
»Es gibt kein Glück in diesen Mauern, kein Glück in Cromdale! Geh von hier fort, solange du es noch kannst.«
Jetzt spürte ich einen eisigen Zug in meinem Gesicht, in meinem Kopf dröhnte es. War ich dabei, den Verstand zu verlieren? Dann wurde mein Oberkörper wie von Stahlklammern umschlossen, und ich konnte nicht mehr atmen. Jemand zog mir den Boden unter den Füßen weg, und mir schwanden die Sinne.
8. KAPITEL
Etwas kitzelte an meiner Nase, und ich erwachte.
»Hatschi!«
Durch das Fenster drang helles Sonnenlicht. Als ich erkannte, was mich geweckt hatte, glaubte ich zuerst, mich in einem wundervollen Traum zu befinden. Eine lockige Haarsträhne
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