Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
Atmosphäre im Haus entfliehen.
Ich verzichtete bewusst auf Bachelor und lenkte meine Schritte zu dem nahen Wäldchen. Es war faszinierend, wie schnell in Schottland das Wetter wechselte. Beinahe meinte ich, in der Luft einen Hauch von Frühling wahrzunehmen, obwohl das natürlich Unsinn war. Nach den Tagen in den geheizten Räumen war mir der Wind, der immer wieder stürmisch auffrischte, mehr als willkommen.
Ich war nur noch wenige Meter vom Waldrand entfernt, als ich unter einer Tanne etwas Grellbuntes entdeckte. Es leuchtete in Rot, Gelb und Orange. Da es um diese Jahreszeit keine Blumen gab, dachte ich, jemand hätte einen Haufen Lumpen dorthin geworfen. Beim Näherkommen sah ich allerdings, dass das Bündel sich bewegte. Dort lag ein Mensch!
So schnell es mein Hinken zuließ, lief ich zu dem Baum und blickte alsbald in das wohl älteste Gesicht, das ich jemals gesehen hatte. Der Anblick erinnerte mich an einen verschrumpelten Apfel, der monatelang im Keller gelagert hatte. Jeder Zentimeter der wettergegerbten Haut war runzlig und von tiefen Falten durchzogen. Dünne, schlohweiße Haare hingen der Alten unordentlich auf die Schultern. Aus dem mumienartigen Gesicht starrten mich zwei schwarze Augen erstaunlich klar an.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
Im selben Moment sah ich, dass die Frau offenbar gestürzt sein und sich den Knöchel verrenkt haben musste. Sie hatte ihren Rock bis übers Knie nach oben geschoben und hielt ihr dürres, haarloses Bein umklammert.
»Ich bin ausgerutscht.«
Es waren die ersten Worte, die sie sprach. Tief, dunkel und rauchig, gab sie ein paar unverständliche Flüche von sich.
»Ich denke nicht, dass etwas gebrochen ist«, erklärte ich, nachdem ich das Gelenk abgetastet hatte. »Aber ich bringe Sie vorsorglich ins Dorf zu Dr. Craig.«
Die Alte spuckte so unerwartet in hohem Bogen aus, dass ich mich gerade noch zur Seite rollen konnte, damit mein Mantel nicht beschmutzt wurde.
»Arzt? Ich lasse keinen Quacksalber an mich heran! Das ist nur eine Zerrung, kaum der Rede wert. Ein paar Umschläge mit den richtigen Kräutern, und die Sache ist in zwei Tagen vergessen.«
Plötzlich wusste ich, wen ich hier im Wald gefunden hatte.
»Maggie Baldwin!«, stieß ich hervor.
Durch meine eigenen Sorgen hatte ich das Gespräch mit Wilma, die mir von der angeblichen Hexe erzählt hatte, völlig vergessen. Aber das Mädchen hatte Recht, wenn sie meinte, dass Maggie Baldwin uralt sein musste. Sie nickte und erhob sich mühsam, wobei sie sich am Stamm der Tanne abstützte.
»Vielleicht wären Sie so gütig, mich zu meiner Hütte zu begleiten. Es ist nicht weit, gleich dort drüben.« Sie deutete vage in den Wald hinein.
Als ich sie um die Hüfte fasste und sie sich fest auf meinen Arm stützte, fiel mir auf, dass Maggie Baldwin die Statur und Größe eines etwa zwölfjährigen Kindes hatte. Ihr Körper war sehnig und frei von jeglichem Fett. Langsam humpelten wir gemeinsam – sie aufgrund der Verletzung, ich, weil ich es immer tat – in den dunklen Wald hinein. Teilweise standen die Bäume so dicht, dass kein Durchkommen zu erkennen war. Doch zielsicher fand Maggie den Weg. Nach einigen Minuten wurde es heller, und wir traten auf eine Lichtung, auf der ein kleines, halb verfallenes Cottage stand. Es sah wenig vertrauenserweckend aus, einzig der aus dem Kamin aufsteigende Rauch ließ darauf schließen, dass diese armselige Behausung bewohnt war.
Ich musste mich bücken, als wir durch die niedrige Tür in den einzigen Raum traten. Sofort wurde meine Nase mit den Wohlgerüchen von Huflattich, Kamille, Zimt und anderen Düften, die ich nicht zuordnen konnte, empfangen. Eine Schmalseite der Behausung nahm der große Kamin ein, über dem Feuer dampfte ein Wasserkessel, direkt daneben stand ein schmales Bett. Ein Tisch und zwei Stühle vervollständigten die karge Einrichtung.
Maggie Baldwin bedeutete mir, mich zu setzen, und ich ließ mich vorsichtig auf einem wackligen Stuhl nieder. Zu meinem Erstaunen hielt er meinem Gewicht stand. Maggie Baldwin humpelte zu einem Bord, nahm zwei Tassen herunter und warf aus einer Blechschachtel jeweils eine Handvoll Kräuter hinein. Dann füllte sie kochendes Wasser auf. Sofort durchzog ein weiterer, köstlicher Duft den kleinen Raum.
»Soll ich Ihnen den Fuß verbinden?«, bot ich mich an.
Sie schüttelte den Kopf.
»Das mache ich nachher. Jetzt müssen Sie erst etwas trinken, Sie sehen gar nicht gut aus. Gar nicht gut! Viel zu blass.«
Sie seihte das Gebräu in
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