Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
anderen Dingen. So konnte es nicht weitergehen! Natürlich hatte ich das Recht, Violet zu bitten, Cromdale zu verlassen, aber ich konnte doch unmöglich auf die Schwester meines Verlobten eifersüchtig sein. Dennoch wuchs meine Abneigung gegen Violet von Tag zu Tag, und ich wusste, irgendetwas musste geschehen. Dann wurde mir plötzlich alles klar, und der Schleier begann sich zu lüften.
Noch aufgewühlt von den Geschehnissen der vergangenen Nacht, zog ich mich früh zurück. In meinem Zimmer merkte ich, dass ich mein Buch – einen Gedichtband von Robert Burns – in der Halle liegen gelassen hatte. Ich wollte noch ein wenig in den sinnlichen Worten und Reimen lesen, die stets eine beruhigende Wirkung auf mich hatten. Die Tür zum Esszimmer stand einen Spalt offen, es brannte noch Licht darin. Ich wollte gerade hineingehen, als ich Violets helle, laute Stimme hörte:
»Wie lange soll das noch so weitergehen, Harrison?«
»Ich werde in Kürze heiraten. Du solltest dir überlegen, wohin du dann gehen wirst. Irgendwann wird Lucille Verdacht schöpfen und hinter deine Maskerade kommen. Es ist am besten, du verlässt Cromdale so bald wie möglich. Warum fährst du nicht zu deinem Bruder?« Ich hörte ein Geräusch, das sich wie ein zärtlicher Kuss anhörte.
Zitternd lehnte ich mich an die Wand und wagte nicht, durch den Türspalt zu spähen, um ja nicht entdeckt zu werden. Instinktiv wusste ich, dass ich gleich etwas erfahren würde, das ich besser nicht hören sollte. Mein Herz riet mir davonzulaufen, doch mein Verstand schärfte meine Sinne, so dass mir kein Wort entging.
»Ach, Harrison! Kann ich denn gar nichts tun, um deine Meinung zu ändern? Von mir aus kannst du dich weiterhin mit dem kleinen Hinkefuß abgeben, aber warum musst du sie unbedingt zu deiner Frau machen? Wir beide, du und ich – wir wären ein unschlagbares Paar, dem die ganze Welt offen steht. Du hast mich doch einst geliebt, liebst mich noch immer. Erinnerst du dich an die schöne Zeit, die wir hatten? Ich werde sie niemals vergessen. Wenn du doch nur ...«
Ich weiß nicht mehr, wie ich es schaffte, in mein Zimmer zu kommen. Ich hörte zwar, dass Harrison noch etwas sagte, konnte aber die Worte nicht verstehen.
Kleiner Hinkefuß ...
Ich war wie vor den Kopf geschlagen, das Blut rauschte in meinen Ohren. Es war, als zöge mir jemand den Boden unter den Füßen weg und ich müsste dabei hilflos zusehen. Von einer Minute auf die andere waren alle meine Pläne und Träume wie eine Seifenblase geplatzt. Dutzende von Kleinigkeiten fielen mir ein. Jede für sich war nicht der Rede wert, zusammengenommen jedoch ergaben sie ein Bild, das ich schon längst hätte erkennen können, wäre ich nicht so blind vor Liebe gewesen. Es war der Blick, mit dem Harrison Violet ansah, mit genau dem gleichen Ausdruck wie an jenem denkwürdigen Abend in dem Hotel in Inverness, als wir uns zum ersten Mal begegneten: herausfordernd, spöttisch, aber auch eine Spur leidenschaftlich. Violet war eine schöne, sehr schöne Frau! Wenn sie ausritt, glich sie mehr einer griechischen Göttin als einer Frau aus Fleisch und Blut. Dazu kam die Reserviertheit Glendas gegenüber ihrer angeblichen Tochter. Keine Mutter, nicht einmal eine kühle Frau von Glendas Charakter, würde ihrem eigenen Fleisch und Blut dermaßen ablehnend gegenüberstehen.
Es gab noch keinen Beweis, keine hundertprozentige Sicherheit, aber Dutzende von kleinen Details, vor denen ich bisher die Augen verschlossen hatte, schienen mir nun immer mehr zu sagen, dass Violet Harrison gegenüber mehr als schwesterliche Gefühle hegte. Sicher, meine Erfahrungen mit Männern hielten sich in Grenzen, beschränkten sich auf das unangenehme Erlebnis in Vauxhall und auf die sanfte Werbung von James Grindle. Dennoch war ich eine Frau! Mit den Gefühlen und sinnlichen Empfindungen einer jeden Frau. Diese Saite in mir hatte erst Harrison zum Klingen gebracht, und ich wusste genau, wie sich eine Frau verhielt, wenn der geliebte Mann in der Nähe war. Ich verhielt mich nicht anders.
Es passte alles zusammen wie ein Puzzleteil in das andere. Die flüchtigen, scheinbar zufälligen Berührungen, ihre intensiven Blicke und schließlich das geheimnisvolle Treffen in der alten Mühle. Noch konnte ich das fertige Bild nicht erkennen, nicht einmal der Rahmen war mir klar. Die einzig logische Erklärung war, dass Harrison mich heiraten wollte, um rechtmäßiger Herr von Cromdale zu werden. Dazu spielte er mir Gefühle vor, die er in
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