Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
mir, als würde sie mich gar nicht wahrnehmen und einen Punkt weit hinter mir fixieren.
»Sie können ihn finden, wenn Sie es wirklich wollen, denn er ist da irgendwo.« Wieder dieses Kichern, das mir einen unbehaglichen Schauer über den Rücken jagte.
»Von wem oder was sprechen Sie? Was soll ich finden?«
Sie ging auf meine Bemerkung nicht ein.
»Vielleicht gibt es ihn doch nicht, denn keiner hat ihn bisher gefunden. Ich sage mir aber, wenn er da ist, wird man ihn finden. Oder etwa nicht?« Ihre klauenartigen Finger legten sich wie Stahlklammern um mein Handgelenk. Erneut war ich über die Kraft, die in der alten Frau steckte, überrascht.
»Ja, ja, bestimmt!«, beeilte ich mich zu versichern und hatte keine Ahnung, von was oder wem sie sprach. Wahrscheinlich war ihr Geist verwirrt, was in ihrem Alter nicht weiter verwunderlich war. In lichten Augenblicken sprach sie wie ein junges Mädchen, doch jetzt weilte ihr Geist irgendwo in der Vergangenheit.
»Mein Vater hat mir davon erzählt, davor sein Vater ihm und wieder davor dessen Vater«, fuhr sie fort, »aber keiner hat das Geheimnis von Cromdale House bisher finden können.«
Erleichtert holte ich Luft. Natürlich meinte sie die Legende, die sich um die tote Lady Mabel rankte.
»Nein, ich habe es auch nicht gelöst«, sagte ich und verdrängte bewusst den Augenblick, als ich dem angeblichen Geist gegenübergestanden hatte. Ihre klammen Finger tätschelten nun erstaunlich sanft meinen Arm.
»Sie werden es finden, Mylady. Ich sehe es, Sie sind dazu bestimmt, und dann wird alles gut werden!«
»Warum sagen Sie mir nicht deutlich, was Sie meinen, Maggie?«
»Sehen Sie ihr auf die Finger, Mylady«, sprang sie unvermittelt zu einem anderen Thema über. »Sie nähren eine Schlange an Ihrem Busen. Sie sind taub und blind, so ist es immer. Der, den es am meisten angeht, erfährt es zuletzt. Klar sehen nur die Außenstehenden.«
»Und was sehen Sie, Maggie?« Ich lehnte mich vor und versuchte, in ihren Augen eine Antwort zu finden. Ihr Blick trübte sich, ich hatte das Gefühl, sie hätte meine Anwesenheit völlig vergessen. Sie ging zu dem Kessel und rührte so kräftig in der zähen Masse, dass der Geruch mir beißend in die Nase stieg.
»Zermahlene Krötenbeine und Libellenflügel«, erklärte sie, obwohl ich nicht gefragt hatte, was sie da braute. Unwillkürlich schüttelte ich mich.
»Wofür soll das gut sein?«
»Nach genau drei Stunden müssen dreizehn getrocknete Nacktschnecken hinzugefügt werden«, fuhr sie fort. »Es ist gegen Lungenleiden jeglicher Art. Morgens und abends ein Löffel davon befreit von jedem Husten.«
Ich schüttelte mich angewidert, beschloss zu gehen, bevor sie auf den Gedanken kam, mir von dem Gebräu anzubieten, und wünschte Maggie noch einen schönen Tag. Als trüge ich eine schwere Last auf meinen Schultern, ging ich durch den Wald. Obwohl die Alte keine Namen genannt hatte, wusste ich genau, was sie mir zu verstehen geben wollte. Es deckte sich mit meinen eigenen Überlegungen. Dieses Mal war es taghell, und ich hatte mir den Weg gut eingeprägt, so dass ich binnen kurzer Zeit Cromdale House erreichte, just in dem Moment, als Harrison und Violet Seite an Seite lachend ausritten. Sie hatten mich nicht bemerkt. Ich starrte ihnen nach, bis sie hinter einer Wegbiegung verschwunden waren.
Harrison wollte zwei, drei Tage nach Inverness fahren. Auf meine Frage, was für Geschäfte er zu erledigen habe, zog er mich lachend an sich und hauchte mir einen Kuss auf die Nase.
»Das ist mein Geheimnis, meine Liebe! Wir heiraten schließlich bald, und ich habe noch einiges vorzubereiten.«
Ich schluckte und wurde in seinen Armen stocksteif. Jetzt war der Moment gekommen, ihm zu sagen, dass ich nicht seine Frau werden würde, nicht werden konnte! Aber seine Nähe raubte mir die Sinne, in seinen Armen schien ich völlig willenlos zu werden. Ich würde es ihm sagen, wenn er aus der Stadt zurückkam.
Ich war nicht sonderlich überrascht, als ich erfuhr, dass Violet Harrison begleiten würde.
»Ich brauche ein paar neue Bänder und Spitzen. Auch wenn Inverness schrecklich provinziell ist, gibt es dort doch mehr Auswahl als in Grantown.« Spielerisch schlug sie Harrison leicht auf den Arm und schenkte ihm ein betörendes Lächeln. »Ich verzeihe dir nie, dass du mich nicht nach Edinburgh mitgenommen hast! Meine Kleidung lässt doch sehr zu wünschen übrig. Ich brauche unbedingt ein paar neue Sachen.«
Da keine weiteren Schneefälle zu erwarten waren,
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