Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
gegangen war, brühte ich mir eine starke Tasse Tee auf. Ich hätte auch Wilma darum bitten können, wollte jetzt aber allein sein. Die Ironie war kaum zu überbieten! Innerhalb weniger Wochen hatte ich erst eine Truhe voller Geldstücke und dann eine Kiste mit Pfundnoten gefunden, doch nichts von beidem brachte mir einen finanziellen Vorteil. Aber über eines freute ich mich: Harrison hatte mich heiraten wollen, um in den Besitz eines wertlosen Schatzes zu kommen. Fast bedauerte ich, ihm nichts von der Wertlosigkeit berichten zu können. Ich hätte bei der Nachricht zu gerne sein Gesicht gesehen.
Es waren nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Mit Wilmas Hilfe schmückte ich die Halle mit Stechpalmen und Mistelzweigen. Einmal gesellte sich Maggie Baldwin zu uns und nickte wohlwollend. Wilma beäugte die Alte immer noch mit ängstlichem Blick. Da aber Maggie bisher das Mädchen nicht mit einem schrecklichen Zauber belegt hatte, fand sie sich von Tag zu Tag mehr mit ihrer Anwesenheit ab.
»Das Haus sieht jetzt wie in alten Zeiten aus«, bemerkte Maggie. »Wie in alten Zeiten ... Es fehlt nur das Lachen von Kindern. Ein solches Haus sollte von vielen Kindern bewohnt werden ...«
Ich wischte mir über die Augen und versuchte damit, den Schmerz, den ich empfand, zu vertreiben. Einst hatte es eine Zeit gegeben, in der ich mich von eigenen Kindern umgeben gesehen hatte. Nun würde es wohl für immer ein Traum bleiben.
Mrs. Grindle hatte gesagt, dass sie in ihrem Haus die Tradition des Julscheits pflegten.
»Viele eifern der Königin nach und stellen einen Weihnachtsbaum auf, aber wir möchten diese ausländische Sitte nicht haben.«
Mrs. Anderson, die Köchin, hatte darauf bestanden, einen Plumpudding zu machen. In ihren Augen war Weihnachten ohne den süßen, gehaltvollen Kuchen kein Weihnachten. Ich fragte mich zwar, wer das große Gebilde essen sollte, das seit zwei Wochen in der Vorratskammer stand. Ich selbst machte mir nicht viel aus süßen Sachen, ich freute mich vielmehr auf den traditionellen Truthahn.
Das Wetter brachte jetzt Frosttage mit glitzerndem Raureif. Die Welt sah zauberhaft hell und fröhlich aus. Ich las zum zweiten Mal den Brief von Kitty, die mir herzliche Weihnachtsgrüße aus London schickte. Sie arbeitete immer noch bei Madam Mellyn, die inzwischen ein neues Mädchen eingestellt hatte.
Sie versucht zwar, Deine Früchte nachzuahmen, aber die Kundinnen merken den Unterschied und bedauern, dass Madam ihre Kreationen geändert hat ...
Es tat mir gut, diese Zeilen zu lesen, und ich beschloss, am Nachmittag Kitty zu antworten. Ich hatte es immer wieder hinausgeschoben, denn ich wusste nicht, wie viel ich ihr berichten sollte. Die ganze Wahrheit hätte wahrscheinlich einen Roman gefüllt, ich konnte aber auch nicht so tun, als lebte ich hier im Paradies. Nun, ich würde jetzt einen Spaziergang machen und dabei darüber nachdenken.
Die Kälte prickelte in meinem Gesicht, tief atmete ich die klare Luft ein. Einige Meter vor mir huschte ein Kaninchen über die schneebedeckte Wiese.
»Armes Ding«, murmelte ich. »Hoffentlich findest du genügend Futter, um den Winter zu überstehen.«
Beinahe zwanghaft lenkte ich meine Schritte zur alten Mühle. Die Erkenntnis, dass mein Fund keinen großen Wert besaß, stimmte mich nicht traurig. Was hätte ich denn mit viel Geld anfangen sollen? Was das Gut abwarf, reichte für mich und die wenigen Angestellten von Cromdale House. Trotz allem, was geschehen war, verspürte ich eine tiefe Liebe zu der Burg und der umliegenden Landschaft. Der Gedanke, Cromdale House zu verkaufen, war längst restlos aus meinen Überlegungen verschwunden. Nein, ich würde hier bleiben und mir ein ruhiges Leben einrichten. Vielleicht könnte ich in der Pfarrgemeinde tätig sein? Alten und Kranken Essen und Decken bringen und ihnen vorlesen? Ich war zwar allein und würde es aller Voraussicht nach auch bleiben, denn niemals in meinem Leben würde ich wieder einen Mann so sehr lieben wie Harrison, aber ich war nicht einsam, denn ich hatte Freunde. Von einer Ehe und Kindern träumte ich nicht mehr, denn niemals wollte ich einem Mann aus Vernunftgründen meine Hand reichen. Ich wollte alles oder nichts!
Als ich die Mühle betrat, war ich so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, dass ich nicht allein war. Da ich auch nicht mit der Anwesenheit einer anderen Person gerechnet hatte, ging das, was jetzt geschah, so schnell, dass ich keine Möglichkeit fand, mich zu wehren. Ich erkannte
Weitere Kostenlose Bücher