Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
öffnete eine Anrichte, der er Papier und Tinte entnahm. Seine Haltung drückte eine unerschütterliche Ruhe aus, die mich erstaunte. Ließ es ihn wirklich kalt, dass eine Fremde Anspruch auf das Schloss erhob, oder war er nur ein guter Schauspieler? Seine Mutter und er hatten offensichtlich keine Ahnung davon gehabt, dass Fitzroy MacHardy seine Enkelin gesucht hatte. Mit einem Anflug von Unbehagen dachte ich an den vergangenen Abend. Mit keinem Wort, keiner Geste hatte Harrison seiner Mutter gegenüber erkennen lassen, dass wir uns bereits begegnet waren. Ich war ihm dankbar dafür.
Glenda MacGinny hatte sich inzwischen wieder auf den Stuhl fallen lassen. In theatralischer Verzweiflung rang sie die Hände und starrte an die Decke, ganz so, als wolle sie Fitzroy MacHardy im Himmel anflehen.
»Sechsundzwanzig Jahre habe ich in diesem Hause gedient! Über ein Vierteljahrhundert! Und nun so etwas! Man will mich aus meinem Heim vertreiben!«
»Aber Mrs. MacGinny! Keiner möchte Sie von hier vertreiben! Ich denke, es wäre ganz im Sinne meines Großvaters, wenn Sie und Ihr Sohn hier ...« Ich stockte. Was hatte sie soeben gesagt, wie lange sie bereits in Cromdale House lebte? Ich vergaß meine Antipathie und sah sie atemlos an. »Wenn Sie bereits so viele Jahre hier sind, dann kennen Sie womöglich noch meinen Vater?«
Aufgeregt hämmerte mein Herz. Glenda lächelte, doch es war kein warmes Lächeln, höhnisch erwiderte sie:
»Und ob ich ihn kannte, den schönen Alexander MacHardy! Der hatte vor nichts und niemandem Respekt. Am wenigsten vor seinem eigenen Vater. Darum hat ihn Fitzroy auch enterbt. Ihn und seine gesamten Nachkommen. Deshalb werde ich niemals glauben, dass es sich Fitzroy anders überlegt haben soll!«
»Gibt es von Alexander ... meinem Vater ... auch ein Porträt?«
Glenda machte eine vage Handbewegung.
»Vielleicht oben in der Galerie. Aber er war ja noch sehr jung, als er mit der Armee in den Süden ging. Da hat er dann dieses leichte Mädchen kennen gelernt. Fitzroy traf beinahe der Schlag, als sein Sohn ihm von seiner Vermählung mit einer Engländerin in Kenntnis setzte. Ich dachte damals, sein Herz würde stehen bleiben oder es würde ihn der Schlag treffen! Krebsrot war er im Gesicht! Ungesund krebsrot, sage ich Ihnen. Hat mich viele Nächte und Mühen gekostet, ihn wieder gesund zu pflegen.«
»Meine Mutter war eine anständige Frau!«, warf ich empört ein. Was Glenda mit den »Mühen in der Nacht« meinte, wollte ich lieber nicht genau wissen. »Wie können Sie es wagen, in einer derartigen Weise über meine Mutter zu sprechen? Haben Sie sie jemals kennen gelernt?«
»Nein, Gott bewahre! Fitzroy hat seinem Sohn verboten, jemals wieder einen Fuß auf das Land der MacHardys zu setzen. Er teilte ihm mit, dass er ihn niemals im Leben wiedersehen wollte.«
Verständnislos schüttelte ich den Kopf.
»Aber was war denn daran so schlimm, dass er meine Mutter geheiratet hat? Wenn Großvater sie nie gesehen hat, war es ihm doch unmöglich, ein Urteil über sie zu fällen.«
Glenda stieß einen schnaubenden Laut aus.
»Alexander war so gut wie verlobt! Und zwar mit einem anständigen, guten, schottischen Mädchen aus Dufftown. Alter Adel und viel Geld! Schauen Sie sich doch hier um. Ihr Vater – wenn er denn tatsächlich Ihr Vater war! – ist daran schuld, dass sich Cromdale in einem solchen Zustand befindet! Dieses Mädchen hätte genügend mit in die Ehe gebracht, um den Glanz vergangener Zeiten wieder einziehen zu lassen. Doch Alexander MacHardy war nicht bereit, seine Pflicht und Schuldigkeit als einziger Sohn gegenüber seinem Vater zu erfüllen. Damit hat er Fitzroy das Herz gebrochen.«
»Nun übertreibe mal nicht, Mutter«, warf Harrison ein, während er den Brief in einen Umschlag steckte. »Ich war damals noch ein kleiner Junge, kann mich aber daran erinnern, dass Alexander immer guter Laune und lustig war. Zuerst hat er mich auf seinen Knien reiten lassen. Später, ich muss so vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, setzte er mich zum ersten Mal auf ein richtiges Pferd. Ich habe die sture Haltung des Lairds nie verstanden und noch weniger gebilligt.«
Durch mein Herz zog ein warmes und dankbares Gefühl, dass Harrison meinen Vater verteidigte. Ob er wohl, wenn Cromdale House endgültig mein Eigen war, bereit war, als Verwalter hier zu bleiben? Verwundert fragte ich mich, warum mir das im Moment so wichtig erschien.
»Auf jeden Fall hat mir Fitzroy versprochen, dass ich mir um meine Zukunft
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