Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
ich in einem solch großen Bett, in dem gut und gerne vier Menschen Platz gefunden hätten, geschlafen.
Wenig später brachte mir Rosie ein Tablett mit dem Frühstück. Es gab Eier mit knusprigem Speck, zwei Scheiben Weißbrot, Butter und eine Tasse warme Milch. Das Mahl war, ebenso wie das Essen am Abend zuvor, nichts Besonderes, aber reichhaltig und kräftig gewürzt. Während ich es mir schmecken ließ, beobachtete ich Rosie, wie sie mit geschickten Handgriffen das Bett machte. Sie war klein, ihre Figur etwas gedrungen, doch hatte sie ein offenes, freundliches Gesicht.
»Seit wann arbeitest du in Cromdale House?«, fragte ich sie.
Rosie zog überlegend ihre niedrige Stirn kraus, dann streckte sie zwei Finger einer Hand aus.
»Also zwei Jahre«, nickte ich. »Stammst du aus der Gegend?« Sie nickte. Ich hätte sie gerne gefragt, aus welcher Familie sie kam und warum sie hier arbeitete, doch ihre Stummheit verhinderte eine normale Konversation. Glenda MacGinny hatte Recht gehabt, als sie sagte, dass es sinnlos war, das Mädchen auszufragen. Dann hatte ich eine Idee. »Kannst du lesen und schreiben?«
Bedauernd hob Rosie die Schultern und schüttelte den Kopf. Armes Ding, dachte ich. Sie hat also keine Möglichkeit, sich anderen Menschen mitzuteilen.
»Wenn du willst, bringe ich es dir bei!« Erst als die Worte ausgesprochen waren, wurde mir bewusst, was ich gesagt hatte. Zwar verfügte ich über eine gute Bildung, doch hatte ich keinerlei Erfahrung im Unterrichten. Dazu kam, dass ich nicht wusste, wie lange ich eigentlich in Cromdale House bleiben würde. Ich war in der Hoffnung hierher gekommen, ein Heim und eine Zukunft zu finden. Selbst wenn Mr. Grampson die Richtigkeit meiner Erbschaft bestätigen würde – woran ich keinen Moment zweifelte –, war es fraglich, ob ich es aushalten würde, mit den MacGinnys unter einem Dach zu leben. Andererseits wusste ich jetzt schon, dass ich es nicht fertig bringen würde, sie einfach auf die Straße zu setzen. Ich seufzte und wünschte mir in dem Moment, bei Madam Mellyn in London geblieben zu sein.
Mein spontanes Angebot zauberte ein Leuchten in Rosies hellbraune Augen. Sie machte allerdings eine fragende Handbewegung.
»Sicher hast du hier im Haus viel zu tun?«, fragte ich nach. Ein erneutes, bedauerndes Nicken. »Nun, wir werden sehen.« Ich brachte es nicht übers Herz, das Mädchen zu enttäuschen. »Wenn du eine Stunde Zeit hast, komm einfach zu mir. Dann fangen wir an, ja?«
Als Rosie mich verlassen hatte, trat ich ans Fenster und schaute hinaus. Der gestrige Tag war neblig-trüb gewesen, doch heute war das Wetter umgeschlagen. Es regnete nicht nur, nein, es goss, als hätte Gott die zweite Sintflut über das schottische Hochland geschickt. Ich konnte kaum den Burghof vier Stockwerke unter mir erkennen, so dunkel war es, obwohl es noch früh am Morgen war. Dazu pfiff der böige Wind durch die undichten Fenster und ächzte und stöhnte in dem alten Gebälk. Mit weniger guten Nerven hätte ich durchaus gedacht, ein rastloser Geist wandere durch die Mauern. Neben dem Fenster schloss sich ein kleiner, runder Vorbau, eine Art Erker, an. Ich hatte diese kleinen angebauten Türmchen bereits bei meiner Ankunft bemerkt. Augenscheinlich erfüllten sie keinen bestimmten Zweck, waren nur als Zierrat gebaut worden. Ich trat zu der Nische und spähte hinein. Vier kleine Fenster boten bei schönem Wetter sicher einen fantastischen Blick übers Land. Allerdings war hier das Mauerwerk bröcklig, und ich vermied es, in den Erker zu treten. Unschlüssig ging ich in meinem Zimmer auf und ab. Was sollte ich jetzt tun? Zwar sehnte ich mich nach einem langen, ausgiebigen Spaziergang, doch bei dem Regen würde ich binnen weniger Minuten bis auf die Haut durchnässt sein. Plötzlich fiel mir Glendas Bemerkung über ein eventuelles Porträt von Alexander MacHardy ein. Schade, dass Rosie nicht mehr hier war. Sie hätte mir bestimmt zeigen können, wo sich die Galerie befand. Kurz entschlossen trat ich auf den Flur. Dann würde ich sie eben alleine finden! Zudem hatte ich das Recht dazu, das Schloss zu erkunden. Schließlich gehörte es mir! Oder?
In der nächsten Stunde erhielt ich einen ersten Überblick über die Weitläufigkeit der Burg. Die Halle kannte ich bereits, an der Ostseite lag die große Küche, in der sich seit Jahrzehnten nichts geändert haben musste. Daneben befanden sich die Vorratsräume, die allerdings nicht gerade üppig gefüllt waren. Bei meinem weiteren Rundgang
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