Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
sondern an einem unbekannten Ort verscharrt wurde, können die beiden auch im Jenseits nicht zueinander finden. Besonders in Vollmondnächten kann man Lady Mabel jammern und klagen hören, manchmal sieht man sie auch in ihrem weißen Gewand suchend durch die Gänge huschen.«
Nun grinste ich amüsiert. »Und Sie sind ihr sicher schon begegnet?«
Harrison hob mit einem bekümmerten Blick die Schultern. »Nein, leider nicht. Aber ich hätte gerne das Vergnügen, wenn ich auch bezweifle, dass die Dame nach dreihundert Jahren noch genauso hübsch ist, wie die Legende erzählt. Leider befindet sich kein Porträt von der Dame in der Galerie. Schade.«
Nun prustete ich über seinen spitzbübischen Gesichtsausdruck laut los. »Es heißt doch, dass Gespenster nicht altern. Ich an Ihrer Stelle würde die Hoffnung nicht aufgeben!«
Wir lachten so laut, dass mir der Bauch schmerzte. Es kam mir vor, als wäre eine Barriere zwischen uns gefallen. Harrison MacGinny war ein sympathischer Mann mit viel Charme und Witz, und ich konnte nicht mehr verstehen, warum ich noch am Vortag vor ihm Angst gehabt hatte. Doch schon mit seinen nächsten Worten machte er mein gerade aufkeimendes Vertrauen wieder zunichte.
»Eine wundervolle romantische Geschichte, nicht wahr? Dass Sie eine Frau mit Sinn für Romantik sind, habe ich bereits im Hotel in Inverness bemerkt.« Es war das erste Mal, dass er unsere erste Begegnung ansprach. »Aber Sie sollten sich in Acht nehmen! Die arme Lady Mabel braucht regelmäßig die Seelen von jungen Frauen, um weiter existieren zu können. So kann es durchaus geschehen, dass man Sie eines Tages zu Tode erschrocken in irgendeinem Winkel der Burg findet. Das geschieht in diesem Land häufig, denn Schottland ist nicht England, am wenigsten ist es mit London zu vergleichen.«
»Das habe ich bereits bemerkt!«
Unwillkürlich wich ich einen Schritt zurück. Ein völlig anderer Mann stand vor mir. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verdüstert, alle Freundlichkeit war aus ihm gewichen. Hart starrten mich seine Augen an. Wie konnte sich ein Mensch binnen weniger Sekunden so sehr verändern? Lag in seinen Worten nicht eine erneute versteckte Drohung? Wollte er mir sagen, dass ein eventueller plötzlicher Tod meiner Person in dieser Gegend nicht hinterfragt oder untersucht werden würde?
»Ich ... muss jetzt gehen«, stotterte ich und tastete mich rückwärts zur Tür. Erleichtert spürte ich die Klinke in meiner Hand, drückte sie herunter und floh regelrecht auf den Gang. Harrison MacGinny lachte hinter mir her, aber dieses Mal klang es nicht heiter, sondern schadenfroh und voller Hohn.
Die nächsten Tage wurden zu einem endlosen Warten. Es regnete ununterbrochen, die Welt außerhalb des Hauses schien in den Fluten zu versinken. Glenda MacGinny hatte Recht, wenn sie behauptete, der Anwalt könne bei einem solchen Wetter nicht nach Cromdale reisen. Ein Lichtblick war, dass Rosie täglich etwas Zeit fand, um mit dem versprochenen Unterricht zu beginnen. Es gelang mir tatsächlich, ihr in kurzer Zeit beizubringen, ihren Namen zu schreiben. Voller Stolz hielt sie das Blatt hoch und strich andächtig über den Schriftzug. Gerne hätte ich ihren Nachnamen erfahren, aber bevor Rosie nicht das ganze Alphabet kannte, gäbe es kaum eine Möglichkeit dazu. So schrieb ich ihr noch meinen Namen und die der MacGinnys auf. Als sie mühsam die Buchstaben Harrison nachmalte, huschte ein glückliches Lächeln über ihre Lippen. Für einen Moment hatte ich den Verdacht, Rosie könnte in den Verwalter verliebt sein. Aber nein, sagte ich mir sogleich, dazu ist sie viel zu jung! Auch machte mir Harrison nicht den Eindruck, dass er sich mit einem stummen Mädchen abgeben würde. Dennoch ... der Stachel des Zweifels blieb, worüber ich mich ärgerte. Von mir aus konnte dieser unverschämte Mensch doch drei Dutzend Liebschaften haben, was ging es mich an?
Weder von Harrison noch von Glenda sah und hörte ich viel. Zwar bemerkte ich, wie nach und nach ein Zimmer nach dem anderen geputzt wurde, auch das Essen stand stets pünktlich auf dem Tisch. Von den wenigen Stunden, in denen ich Rosie unterrichtete, abgesehen, war ich mir selbst überlassen. So blieb mir nichts anderes übrig, als mir die Zeit mit Streifzügen durch das Haus zu vertreiben oder mir Lektüre aus der reichhaltigen Bibliothek zu besorgen. Ich fand Literatur fast aller Genres, wenn ich auch glaubte, dass die vollständigen Bände von Jane Austen wohl von einer Dame angeschafft
Weitere Kostenlose Bücher