Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
in groben Worten, was ihren Ärger über Glenda verriet. Nachdem wir Tee getrunken hatten, fragte mich James, ob ich ihn auf einem Spaziergang begleiten wollte. Ich tat es gerne, zumal sich das Wetter mal wieder geändert hatte. Noch war es tagsüber sommerlich warm, aber gegen Abend kündigten Nebelschwaden bereits den kommenden Herbst an. In der Luft lag der Duft von Laub und Torf, gemischt mit dem Geruch von Whisky. Wir gingen zu dem kleinen Teich und setzten uns auf eine Bank. Zögernd, fast schüchtern, legte James seinen Arm um meine Schultern. Ich wehrte ihn nicht ab, rückte aber auch nicht näher an ihn heran. James war immer sehr verständnisvoll und freundlich und nahm Rücksicht auf meine Gefühle. In seiner Gegenwart fühlte ich mich wie von allen Fesseln befreit. Dennoch erweckte er nicht annähernd das Gefühl, das ich bei Harrison empfand.
»Lucille, ich bin froh, dass dieser Albtraum vorbei ist.«
Mir entfuhr ein Seufzer.
»Ich auch, James. Das kannst du mir glauben! Zu Beginn des Prozesses war ich kurz davor, alles hinzuwerfen und fortzugehen. Ich hatte keine Kraft mehr, länger zu kämpfen.«
Ich merkte, wie sein Arm sich verkrampfte.
»Du möchtest nicht wirklich fortgehen, oder?«
»Nein, eigentlich nicht. Obwohl die Zeit im Arbeitshaus nicht schön war, ist mir nie zuvor so viel offene Ablehnung begegnet. Es entspricht nicht meinem Charakter, um Freundschaft zu buhlen, wenn sie einfach nicht vorhanden ist. Verstehst du, was ich meine?« Er nickte.
»Du hast es verdient, glücklich zu sein! Aber die Verantwortung für Cromdale ist mehr, als du alleine auf deinen schmalen Schultern tragen kannst. Zugegeben, Harrison ist ein guter Verwalter, aber es gibt auch andere, die diesen verantwortungsvollen Posten übernehmen können. Leider habe ich nicht viel Ahnung, wie man ein Gut führt. Meine Kenntnisse liegen in der Herstellung des wohl besten Getränks der Welt, aber ich werde alles tun, um dir das Leben leichter zu machen, Lucille. Das verspreche ich dir!«
Ich lächelte über diese offensichtliche Äußerung des männlichen Beschützerinstinktes. Eine Ahnung beschlich mich, auf was unser Gespräch hinauslief, und ich wusste nicht, ob ich nicht besser aufstehen und nach Hause gehen sollte, ob ich wirklich wollte, dass James weitersprach, obwohl mich seine Worte wie eine angenehme Wärme umschlossen.
»Kaum zu glauben, dass ich noch keine zwei Monate hier bin«, versuchte ich das Thema zu wechseln, doch James verfolgte offenbar ein anderes Ziel. Ich bemerkte, dass er sichtlich angespannt und nervös war.
»Wirklich erst zwei Monate! Dabei habe ich das Gefühl, dich schon seit Jahren zu kennen. So gesehen, erscheinen mir acht Wochen sehr lang.« Er sah mich ernst an und fuhr fort: »Wie gefällt dir eigentlich der Garten? Er ist der ganze Stolz meiner Mutter. Sie arbeitet viel darin.«
»Deine Mutter wie auch deine Schwester – beide sind ganz reizend!«, stimmte ich zu.
»Ich hatte gehofft, dass ihr euch versteht.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden gibt, der sich nicht mit deiner Familie versteht. Auch wenn ich deinen Vater kaum kenne, scheint er ebenfalls ein sehr verträglicher Mensch zu sein.«
»Och ... aber auch ganz schön streng«, entgegnete James grinsend. »Die Brennerei nimmt den ersten Platz in seinem Leben ein. Eines Tages wird sie mir gehören. Die Whiskyherstellung bringt keinen Reichtum, aber ein gesichertes Auskommen.« Plötzlich brach er ab. Ich hatte das Gefühl, dass er noch etwas auf dem Herzen hatte. Nervös spielte meine rechte Hand mit einer Falte meines Rockes. Gerade, als ich sagen wollte, es sei jetzt wohl an der Zeit, wieder nach Cromdale zu reiten, fuhr James fort: »Lucille, ich habe in den letzten Tagen viel über uns nachgedacht. Vielleicht ist es noch zu früh, aber ich ...«
»Mr. Grindle! Mr. Grindle! Kommen Sie schnell!«
Von der Brennerei her ertönte ein Schrei, und Mr. Buchanan, der Aufseher, rannte mit hochrotem Kopf in den Garten. Mit einem Satz sprang James auf.
»Was gibt es denn?« Seine Verärgerung über die Unterbrechung war offensichtlich.
Schwer atmend schrie der Aufseher:
»Ihr Vater ist gestürzt! Er hat sich am Fuß verletzt.«
Schlagartig änderte sich James’ Ausdruck in Besorgnis. Schnell ging er zur Brennerei, ich folgte ihm. Mr. Grindle war offensichtlich auf dem glitschigen Boden ausgerutscht und hatte sich den Knöchel verrenkt. Das Gelenk war bereits dick geschwollen und blau angelaufen.
»Mr. Buchanan, holen Sie sofort
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