Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
MacGinny.
»Du musst ihn hinauswerfen, Lucille. Noch heute!«
Stumm nickte ich und ließ mir von James in die Kutsche helfen. Dabei nahm er meine Hand und ließ sie nicht mehr los.
»Übrigens ... ich schäumte zwar vor Wut, als du vorhin mit Harrison getanzt hast, aber ich kann dir ehrlich sagen, dass man von deiner ... ähem ... kleinen Eingeschränktheit kaum etwas gemerkt hat.«
Ich lächelte ihn dankbar an.
»Das ist nett von dir, so etwas zu sagen, James.«
Ich war überzeugt, er sagte es nur, um in mir das Gefühl, mich unsäglich blamiert zu haben, zu schmälern.
»Lucille ... ich ... ach, es ist schwer, die richtigen Worte zu finden.« Ich sah ihn ermunternd an und war mir sicher, dass er mich bitten wollte, ihn zu heiraten.
»Also, ich finde, es war ein sehr schöner Tag«, fuhr er fort. Ich stimmte ihm zu. Bis auf das Ende, dachte ich. Aber daran trug James keine Schuld. Diese lag ganz alleine bei dem ungehobelten Harrison MacGinny! Komisch, dass ich selbst in dem Moment, in dem ich gleich den ersten Heiratsantrag meines Lebens erhalten würde, Harrison nicht aus meinen Gedanken verbannen konnte. »Du hast bemerkt, dass meine Mutter dich in ihr Herz geschlossen hat. Und Carla sieht in dir so etwas wie eine große Schwester ...«
Er brach ab, drückte aber meine Hand fester. »Ich glaube, ich weiß, was du mir sagen möchtest, James«, antwortete ich weich. Leider kamen jetzt Mrs. Grindle und Carla auf die Kutsche zu.
James seufzte. Es war deutlich, dass er über die Unterbrechung nicht erfreut war.
»Verflixt, warum ist es nicht möglich, länger als fünf Minuten ungestört mit dir sprechen zu können? Ich besuche dich in den nächsten Tagen. Vielleicht können wir dann alleine reden. Ich würde dich nämlich gerne etwas sehr Wichtiges fragen«, raunte er mir zu, bevor seine Mutter in die Kutsche stieg.
Trotz des unangenehmen Zwischenfalls auf der Tanzfläche lehnte ich mich entspannt in die Polster zurück. James war drauf und dran gewesen, mich um meine Hand zu bitten, und ich war überzeugt, er würde es in den nächsten Tagen tun. In diesem Augenblick war ich mir meiner Antwort sicher: Ich würde ihm sagen, dass ich ihn heiraten wollte.
Ich hätte es getan. Ja, wenn James mich gebeten hätte, ihn zu heiraten, hätte ich mit »Ja« geantwortet, aber in derselben Nacht geschah etwas, das mein ganzes folgendes Leben veränderte.
Nach einem leichten Abendessen zog ich mich aus und ging früh zu Bett. Die Fahrt nach Grantown und die ganzen Vergnügungen waren anstrengend gewesen, dennoch konnte ich keinen Schlaf finden. Die Zeiger der Uhr gingen bereits auf Mitternacht zu, und ich wälzte mich immer noch unruhig in den Kissen. Die Stellen an meinem Körper, an denen mich Harrison beim Tanz umarmt hatte, prickelten angenehm warm. Immer, wenn ich die Augen schloss, sah ich die seinen vor mir, die auf den Grund meiner Seele blickten. Verzweifelt versuchte ich, mir James’ freundliches Gesicht vorzustellen und von einer Zukunft an seiner Seite zu träumen, doch immer drängte sich Harrison dazwischen.
»Verflixt«, rief ich, warf wütend die Decke beiseite und schwang meine Beine aus dem Bett. Zu allem Unglück war das Wetter in den letzten Stunden umgeschlagen. Der heulende Sturm, der den Regen beinahe waagerecht gegen die Fensterscheiben schlug, trug nicht gerade zu einer erholsamen Nachtruhe bei. Ich beschloss, mir aus der Küche einen Becher Milch zu holen, an Schlaf war ohnehin nicht mehr zu denken. Im Haus war alles ruhig, doch als ich aus der Küche zurückkehrte, hörte ich die mir inzwischen vertrauten Schritte und erkannte einen Lichtschimmer am Ende des Ganges. Schnell verbarg ich mich hinter einem Wandvorhang und spähte vorsichtig um die Ecke. Ich hatte mich nicht getäuscht. Harrison, nun wieder in derben Arbeitshosen und Hemd, durchquerte die Halle, sperrte die verborgene Tür auf und ging in den Keller. Kurz darauf konnte ich wieder ein leises Hämmern hören. Nun, morgen würde ich ihm und Glenda nahe legen, Cromdale House so bald wie möglich zu verlassen. Danach würde ich selbst schauen, was es im Keller so Geheimnisvolles gab. Wahrscheinlich würde mir James dabei helfen. So lange konnte Harrison von mir aus im Keller graben und klopfen. Sicherlich würde er nicht ausgerechnet in dieser Nacht das Fundament der Burg zum Einsturz bringen.
Als ich die erste Stufe der Wendeltreppe betrat, blieb ich mit meinem Morgenrock an einem Kerzenständer hängen, der daraufhin mit lautem Gepolter
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