Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
wir alle – hatten keine Ahnung, dass Sie und Mr. MacGinny sich so nahe stehen. Im Gegenteil, ich hatte eher den Eindruck, dass seine Gegenwart Ihnen unangenehm wäre.«
Ich schluckte, denn so viel hatte sich in den letzten Tagen geändert.
»Sie haben nicht ganz Unrecht, Mrs. Grindle. Tatsächlich dachte ich, dass ich Harrison MacGinny verabscheue, aber dann ist etwas geschehen, das alles verändert hat.«
Ich wollte ihr nicht von dem Unfall und wie Harrison mich gerettet hatte, erzählen und hoffte, sie würde nicht nach den Beweggründen meines Sinneswandels fragen. Mrs. Grindle nickte.
»Liebe und Hass liegen oft dicht beieinander, denn beides sind sehr starke Gefühle. Vielleicht die stärksten, die zu empfinden ein menschliches Wesen fähig ist. Kommen Sie zu mir herüber, ja?« Zögernd folgte ich ihrer Aufforderung und kniete mich neben ihren Stuhl. Sie legte ihre Hand auf mein Haar und fragte: »Lieben Sie ihn?«
Mit der Antwort zögerte ich keinen Moment:
»Von ganzem Herzen! Ich könnte keinen Augenblick mehr ohne ihn glücklich sein.«
Sie seufzte.
»Dann folgen Sie Ihrem Herzen, Lucille. Auch wenn mir Ihre Entscheidung unverständlich ist, möchte ich, dass Sie Ihr Glück finden. Ich glaube, Sie spüren, dass ich Sie beinahe wie eine eigene Tochter lieb gewonnen habe. Mein Mann und ich hegten in den letzten Tagen die Hoffnung, dass ...«
»Ich weiß«, unterbrach ich sie, denn ich wollte jetzt nicht über James sprechen. »Und es tut mir Leid, dass ich Ihre Erwartungen nicht erfüllen kann.«
»Trotzdem möchte ich Sie daran erinnern, dass Sie das sind, was man eine gute Partie nennt. Harrison MacGinny wird also doch noch der Herr auf Cromdale.«
Damit hatte sie genau den Stachel des Zweifels getroffen, der ganz hinten in meinem Herz saß. Ich hätte ihr jetzt sagen können, dass Harrison mich nicht hätte zu retten brauchen. Wäre ich abgestürzt und gestorben – niemand hätte an einem bedauerlichen Unfall gezweifelt. Aus diesem Grund glaubte ich an seine Liebe zu mir. Langsam erhob ich mich.
»Es wird Zeit zu gehen. Ich hoffe, Sie trotzdem bei der Hochzeit begrüßen zu können.« Sie nickte und bestätigte, dass ihre Familie gerne kommen würde, aber mir entging der kühle Schimmer in ihren Augen nicht. Es war offensichtlich, dass sie trotz ihrer freundlichen Worte enttäuscht von mir war.
Ich hatte gehofft, dass James im Hof auf mich wartete. Gerne hätte ich ihm meine Gründe unter vier Augen dargelegt, sofern es überhaupt plausible Gründe gab außer dem einen, dass ich Harrison von ganzem Herzen liebte. Während ich langsam nach Cromdale zurückging, schaute ich mich immer wieder um, konnte ihn aber nirgends entdecken. Offenbar hatte ich einen Geliebten gewonnen, dafür aber die Freundschaft von lieben Menschen verloren.
Sobald die trutzige Burg in mein Blickfeld kam, hatte ich die trüben Gedanken vergessen und trat beschwingt durch die Tür. In der Halle stolperte ich beinahe über zahlreiche Koffer, Taschen und Hutschachteln, die unordentlich verstreut herumlagen. Neben einem großen Schrankkoffer kauerte auf einem Stuhl eine Gestalt, die ich nie zuvor gesehen hatte.
»Was zum ...«, murmelte ich, besann mich dann aber auf meine Stellung und fragte: »Wer sind Sie denn? Was hat das hier zu bedeuten?«
Die Frau hob den Kopf. Stechende, dunkle Augen blickten mich aus einem hageren Gesicht misstrauisch an.
»Ich heißen Nou-Nou und sein Zofe von Madam.«
Deutlich erkannte ich den französischen Akzent in ihren Worten, dann hörte ich Stimmen aus dem Esszimmer. Niemand hatte mich informiert, dass Besuch erwartet wurde. Als ich gespannt eintrat, stand ich der wohl schönsten Frau gegenüber, die ich jemals gesehen hatte. Sie hatte ungefähr meine Größe, war dabei aber zierlich und feingliedrig. Ihr schwarzes, lockiges Haar umrahmte ein herzförmiges Gesicht mit schneeweißer Haut und azurblauen, schräg stehenden Augen.
Bei meinem Eintreten lag ihre Hand vertraulich auf Harrisons Arm. Nun zuckten beide zusammen und traten rasch einen Schritt auseinander, schuldbewusst, wie mir schien. Es war offensichtlich, dass sie mit Harrison auf sehr vertrautem Fuße stand. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in mir aus. Was ging hier vor?
»Ach, das ist bestimmt die kleine Braut!« Ihre Stimme war wie ihre ganze Erscheinung: elegant, gewählt, bei Wein hätte man gesagt, von erlesener Qualität.
»Guten Tag«, murmelte ich und fühlte mich plötzlich wie ein ungeschickter Trampel.
Sie trat auf
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