Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
mich zu und schüttelte mir kurz die Hand. Ihre Haut war eiskalt. Harrison räusperte sich, dann sagte er:
»Lucille, Liebling, endlich bist du wieder da!«
»Möchtest du uns nicht vorstellen, Harrison?«, fragte die fremde Frau gurrend und warf Harrison einen zwinkernden Blick zu.
»Ja ... also, das ist Violet ...«
»Harrisons Schwester«, ergänzte sie den Satz, wobei sie sich vertraulich bei Harrison einhängte. Schwester? Ich hatte Harrison nie von einer Schwester sprechen hören, dennoch fühlte ich mich etwas beruhigt. Kein Wunder, dass sie so vertraut mit ihm umging.
»Äh ... ja, meine Schwester«, fand nun auch Harrison wieder Worte.
»Ich kann doch meinen Bruder nicht heiraten lassen, ohne dass ich einen Blick auf seine Braut werfe«, fuhr Violet zwitschernd fort. »Nun, alter Junge, ich muss sagen, unsere Geschmäcker waren schon immer unterschiedlich. Lucille, ich hoffe, wir werden trotzdem recht bald gute Freundinnen.«
Die versteckte kleine Beleidigung verursachte mir einen unangenehmen Magendruck. Sonst waren Violets Worte freundlich, und ihr Blick richtete sich interessiert auf meine Gestalt. In mir allerdings entwickelte sich sofort heftige Ablehnung. Wo kam sie so plötzlich her? Harrison hatte mir gegenüber nie die Existenz einer Schwester erwähnt, in der ganzen Gegend war niemals über sie gesprochen worden. Da Violet etwas jünger als Harrison zu sein schien, musste sie doch damals zusammen mit ihm und Glenda nach Cromdale gekommen sein. Irgendwie konnte ich nicht glauben, dass sie bei ihrem trunksüchtigen Vater geblieben war.
Als könne sie meine Gedanken lesen, sagte sie:
»Du musst wissen, Lucille, ich lebte die letzten Jahre in Frankreich. Jetzt ist mein Mann gestorben, und ich kehre in meine Heimat zurück. Welch Überraschung zu erfahren, dass mein großer Bruder in den Stand der Ehe eintreten möchte!«
Erst jetzt bemerkte ich, dass sie ganz in Schwarz gekleidet war. Das Kleid war trotz seiner Schlichtheit von vollendeter Eleganz, Harrisons Schwester war offenbar keine arme Frau. Zudem reiste sie mit großem Gepäck und einer eigenen Zofe. Es störte mich allerdings ein wenig, dass sie mich so persönlich ansprach. Sicher, in wenigen Wochen wurden wir Schwägerinnen, dennoch fühlte ich mich überrumpelt, obwohl man den Franzosen nachsagt, sie legten weitaus weniger Wert auf Konventionen als wir Engländer. Violet hatte schließlich einige Jahre in dem Land gelebt und dessen Sitten und Gebräuche angenommen, darum bemühte ich mich um ein freundliches Lächeln und hieß Violet auf Cromdale willkommen.
»Du musst bei deiner Heirat sehr jung gewesen sein«, stellte ich fest. »Es war mir nicht bekannt, dass du früher hier gelebt hast.«
Nur für einen Moment flackerten ihre Augenlider, dann glich ihr Gesicht wieder einer überheblichen Maske.
»Eigentlich habe ich nie auf Cromdale gewohnt. Ich wurde in einem Internat in den Lowlands erzogen, wo ich auch meinen Mann kennen lernte. Ich folgte ihm dann direkt nach Frankreich.«
»Dann war also mein Großvater so großzügig, dir den Schulaufenthalt zu bezahlen?«
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage. Es klang zwar einigermaßen plausibel, einem Kind, das jahrelang unter seinem Vater gelitten hatte, die bestmögliche Erziehung zu geben, dennoch fiel es mir schwer, Fitzroy MacHardy als einen solchen Wohltäter zu sehen. Oder hatte ihn und Glenda doch mehr verbunden, als ich vermutete? Ich musste unbedingt allein mit Harrison sprechen.
Für unser sonst recht schweigsames Abendessen stellte Violet eine Bereicherung dar. Sie erzählte anschaulich von ihrer Zeit in Frankreich. Meinen Fragen nach ihrer Kindheit und Jugend wich sie jedoch geschickt aus.
»Unser Château liegt ganz in der Nähe der kleinen Stadt Fontenay-le-Comte. Von dort ist es nicht weit bis zum Meer. Ach, wir machten oft Ausfahrten an die See, nach La Rochelle zum Beispiel. Das Meer ist dort so ganz anders als hier, und diese mächtigen Befestigungsanlagen! Kein Wunder, dass die Stadt niemals erobert wurde.«
»Wer kümmert sich jetzt um das Château?«, fragte ich freundlich.
»Jacques, der älteste Sohn aus der ersten Ehe meines Mannes, hat es selbstverständlich geerbt. Er trägt den gleichen Namen wie sein Vater.«
»Somit war für dich kein Platz mehr, und man hat dich davongejagt«, warf Harrison spöttisch ein. Er erntete dafür einen bösen Blick aus Violets Katzenaugen.
»Ganz so war es nicht, liebster Bruder !« Sie betonte das Wort so intensiv, dass Harrison
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