Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
die Stirn runzelte. »Ich habe mich in Frankreich nie richtig zu Hause gefühlt. Gut, dass ich nach Schottland gekommen bin, beinahe hätte ich doch die Hochzeit meines einzigen Bruders versäumt!« Sie schlug ihm mit der Serviette auf den Ärmel. »Du hattest doch nicht wirklich vor, mich nicht über diesen entscheidenden Schritt in deinem Leben zu informieren?«
Täuschte ich mich, oder machte Harrison den Eindruck, als habe er tatsächlich genau das vorgehabt? Ich verglich ihn und Violet mit den Grindle-Geschwistern. Obwohl Carla still und zurückhaltend war, bemerkte man stets, wie sehr sie ihrem Bruder zugetan war. Zwischen Harrison und Violet herrschte ein anderes Verhältnis, beinahe, als würden sie sich belauern. Ich sagte mir, dass es bestimmt daran lag, dass Harrison und Violet eine düstere Kindheit verbracht und dann in jungen Jahren getrennt worden waren. Sie hatten nie Gelegenheit gehabt, sich richtig kennen zu lernen.
»Wann ist dein Mann denn verstorben?«, kehrte ich aus meinen Gedanken zum Tischgespräch zurück.
»Vor zwei Wochen, ein Jagdunfall. Unglücklicherweise löste sich ein Schuss aus seinem eigenen Gewehr. Ach, der arme Jacques, er liebte die Jagd so sehr!« Theatralisch tupfte sie sich mit einem Taschentuch über die Augen. Ich jedoch war überzeugt, dass sie keine Träne über den Tod ihres Mannes vergoss. Harrison empfand ähnlich, denn er sagte kalt:
»Da hast du ja keine Zeit verschwendet, um herzukommen. War dein Jacques denn überhaupt schon kalt, als du das Schiff nach England bestiegst?« Also, das ging jetzt doch ein wenig zu weit!
»Harrison! Jeder Mensch trauert anders«, rügte ich ihn, worauf er sich brummend abwandte. Violet schenkte mir einen dankbaren Blick. Ich überlegte, um wie viel sie wohl jünger als Harrison war. Ihre ganze Erscheinung wirkte zwar sehr jugendlich, dennoch lag ein lauernder Ausdruck in ihren Augen und ein Zug um ihren Mund, der sie älter erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit war. Trotz der dunklen Haare und blauen Augen konnte ich keine weiteren Ähnlichkeiten bei den Geschwistern entdecken. Nun, ich würde Harrison später fragen, auf jeden Fall haftete Violets plötzlichem Auftauchen etwas Seltsames an. Selbst Glenda schien über die Anwesenheit ihrer einzigen Tochter nicht so erfreut zu sein, wie man es doch eigentlich hätte erwarten können. Ich hatte auf jeden Fall nicht gesehen, dass sie Violet in ihre Arme schloss.
Um die Familie nicht weiter zu stören, zog ich mich unmittelbar nach dem Essen zurück. In meinem Zimmer saß ich dann am Fenster und starrte in die Dunkelheit. Würden sie jetzt da unten über mich sprechen? Was sagte Violet dazu, dass ihr Bruder eine hinkende Frau heiraten würde? Ich wandte mich nicht um, als Rosie mir die Tasse heiße Milch brachte, die ich immer vor dem Zubettgehen trank. So entging mir ihre Nervosität. Erst als die Tasse scheppernd zu Boden fiel, erregte sie meine Aufmerksamkeit. Das Mädchen sah mich mit weit aufgerissenen Augen an, und ich bemerkte, dass ihre Hände zitterten.
»Das kann doch vorkommen, Rosie«, beruhigte ich sie, da ich dachte, sie wäre über die verschüttete Milch bekümmert. »Ich möchte heute auch nichts mehr trinken, du kannst also zu Bett gehen.«
Sie nickte, und ich meinte, einen Schimmer von Angst in ihren Augen zu sehen. Während sie den Raum verließ, wankte sie leicht und strich sich mehrmals fahrig über die Haare. Was für ein ereignisreicher und seltsamer Tag!
Violet saß bereits beim Frühstück, als ich am nächsten Morgen herunterkam. Sie sah genauso perfekt aus wie am Vortag, eingehüllt in einen sanften Duft nach Sandelholz und Vanille. Das schwarze Spitzenkleid ließ ihren Teint wie poliertes Porzellan schimmern, lediglich auf den Wangen zeigte sich eine roséfarbene Rötung. Nicht viele Frauen konnten Schwarz tragen. Die meisten sahen als Witwe wie gerupfte Krähen aus, doch für Violet schien diese Farbe wie geschaffen. Ich dachte, dass die ersten Verehrer sie bestimmt bald umschwirren würden. Mochte sie ihren Mann auch geliebt haben, Violet machte auf mich nicht den Eindruck, als wolle sie den Rest ihres Lebens in Trauer verbringen. Erneut fühlte ich mich ihr gegenüber im Nachteil. Rosie hatte mich heute weder geweckt noch warmes Wasser gebracht, so dass ich verschlafen hatte und meine Morgentoilette in großer Eile erledigen musste. Trotzdem erkundigte ich mich freundlich:
»Hast du gut geschlafen?«
Violet lächelte arrogant.
»Den Umständen
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