Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
entsprechend. Das Haus lässt es gegenüber dem Château doch sehr an Komfort fehlen! Es knarrt und raschelt in allen Ecken. Außerdem ist die Kälte beinahe unerträglich. In Frankreich sind die Nächte in dieser Jahreszeit noch so mild, dass man bei offenem Fenster schlafen kann.«
Am liebsten hätte ich geantwortet: »Dann fahr doch zurück nach Frankreich!«, wollte aber den Tag nicht mit einer Disharmonie beginnen.
»Wie kam es, dass du in Schottland einen Franzosen kennen gelernt hast?«
Ich wusste, meine Frage war neugierig, aber hatte ich nicht das Recht, alles über meine zukünftige Schwägerin zu erfahren?
»Ich traf Jacques in Edinburgh. Er hielt sich dort zu Geschäften auf, Weinhandel und so. Wir machten von der Schule aus eine Exkursion in die Stadt, dort stolperten wir regelrecht übereinander.«
»Und es war Liebe auf den ersten Blick?«
»Ohne seine Hilfe wäre ich auf einer Treppe gestürzt. Er fing mich auf, und ich landete in seinen Armen. Wir wussten gleich, dass wir zusammengehören. Ach, was war er elegant und zuvorkommend!«
Ich zögerte, stellte dann aber doch die Frage, die mich brennend interessierte.
»Er war wohl sehr reich, dein Jacques, nicht wahr?«
Sie lächelte geheimnisvoll und zerbröselte eine Brotkrume zwischen den Fingern.
»Ja, er war sehr vermögend.«
Ich wollte Violet gerade fragen, warum Jacques den ganzen Besitz seinem Sohn vermacht hatte, als Wilma, ohne anzuklopfen, ins Zimmer gestürmt kam.
»Mylady, Rosie ist weg! Einfach verschwunden!«
Ich fuhr von meinem Stuhl auf.
»Was heißt verschwunden? Ich habe mich schon gewundert, dass sie mich heute Morgen nicht geweckt hat.«
Auf Wilmas Wangen prangten rote Flecken der Aufregung.
»Als Rosie nicht in der Küche erschien, dachte ich, sie hätte vielleicht verschlafen, darum ging ich in ihr Zimmer. Da fand ich diesen Brief.« Sie legte mir einen Zettel hin, der mit Rosies krakeliger, unbeholfener Handschrift beschrieben war:
Müladi! Verzeien Sie, aber meine Muder ist krang geworden. Ich mus nach Hause sie flegen. Rosie
Kurz schmunzelte ich über Rosies mangelhafte Orthographie, doch dann sah ich Wilma ernst an.
»Wann hat sie die Nachricht von der Krankheit ihrer Mutter erhalten? Gestern Abend, als sie in meinem Zimmer war, hat sie nichts davon erwähnt.«
Wilma zuckte mit den Schultern.
»Sie hat niemandem etwas gesagt, Mylady. Das heißt, sie kann ja nichts sagen, aber Sie wissen ja, was ich meine.«
»Ja, ja, Wilma«, bestätigte ich ungeduldig. »Aber sie muss doch Besuch gehabt haben. Von einem Boten ihrer Mutter oder dergleichen.«
»Nein, Mylady. Ich jedenfalls habe niemanden bemerkt. Allerdings war Rosie seit gestern Nachmittag ziemlich verändert. Irgendwie wirkte sie auf mich, als hätte sie etwas erschreckt. Ständig warf sie in der Küche Dinge um oder ließ etwas fallen, dabei ist sie doch sonst die Ruhe in Person. Ich zog sie noch mit dem Geist von Cromdale auf, versuchte, sie zum Lachen zu bringen, doch sie lief einfach davon.«
Ich erinnerte mich, wie sie am vergangenen Abend mir gegenüber ebenfalls fahrig und verängstigt gewirkt hatte.
»Wilma, kann es sein, dass Rosie vor etwas Angst hatte?«
Die Augen des Mädchens wurden kugelrund.
»Och, Mylady! Glauben Sie, dass Rosie wirklich das Gespenst gesehen hat?«
Violet lachte schrill auf.
»Geister! Du meine Güte! In welchem Jahrhundert lebt ihr denn hier. Rosie? Ist das nicht das schwachsinnige, stumme Mädchen? Ich habe sie gestern Nachmittag bei meiner Ankunft kurz gesehen und stellte gleich fest, dass sie ein ungeschicktes Ding ist.«
»Rosie mag vielleicht der Sprache nicht mächtig sein, aber deswegen ist sie noch lange nicht dumm«, fuhr ich Violet barsch über den Mund. Mir war das Mädchen ans Herz gewachsen, und ich konnte es nicht zulassen, dass jemand derart schlecht über sie sprach.
»Ich glaube nicht, dass sie wiederkommt, Mylady«, sagte Wilma. »Ich habe in ihrem Zimmer nachgesehen. Alle ihre Sachen sind fort, auch die Bücher.«
Das war in der Tat seltsam. Rosie hatte die Bücher, die ich ihr geschenkt hatte, stets wie ihren Augapfel gehütet. Es passte so gar nicht zu Rosies Charakter, einfach bei Nacht und Nebel zu verschwinden. Eigentlich hatte ich geglaubt, dass wir eine Art Vertrauensverhältnis hätten. Ich war enttäuscht, dass sie sich mir nicht anvertraut hatte.
»Lucille, du solltest das Tafelsilber nachzählen lassen.« Violet lächelte süffisant. »Die Sache scheint mir doch sehr suspekt. Wahrscheinlich ist die Kleine mit
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