Der Schatz in den Highlands: Eine Liebesgeschichte im Schottland des 19. Jahrhunderts (Love and Passion) (German Edition)
angeschlagen. Hier, sieh selbst!« Sie streckte mir eine Tasse entgegen, an deren Unterseite ein kleiner, wirklich nur klitzekleiner Splitter fehlte. »Das kann man Gästen unmöglich vorsetzen.«
»Wir haben selten Gäste«, wandte ich ein. »Und bis zur Hochzeit ...«
Sie ließ mich nicht aussprechen, hatte bereits eine Gabel aus der Schublade genommen und warf sie verächtlich auf den Tisch.
»Das Silber ist stumpf, teilweise fleckig! Was macht eigentlich das Personal den ganzen Tag? Herumlungern, sich betrinken und sich im Heu vergnügen, was?«
»Violet!« Ich sprang auf. »Das Hausmädchen tut sein Möglichstes, aber seit Rosie fort ist, hat sie alle Hände voll zu tun.«
»Dann müssen wir eben weiteres Personal einstellen. Man kann unmöglich mit zwei Personen und einem dummen Stallburschen elegante Gesellschaften geben.«
Es lag mir auf der Zunge zu sagen, dass Harrison und ich bisher ganz gut damit gelebt hatten, nicht ständig Gäste im Haus zu haben, doch sie rauschte bereits zur Tür hinaus, wobei ein schwacher Geruch nach Lavendel im Raum haften blieb. Offenbar verfügte Violet über eine ganze Palette von kostbaren Parfüms. Schnell riss ich ein Fenster auf und streckte meinen Kopf in die kühle Luft. Tief atmete ich ein und aus, bis ich merkte, wie sich mein beschleunigter Puls wieder beruhigte. Bisher hatte sich Violet nicht dazu geäußert, wie lange sie gedachte, in Cromdale zu bleiben. Eine Ahnung beschlich mich. Sie war Witwe, alle Besitztümer in Frankreich waren im Besitz ihres Stiefsohns. Da nicht anzunehmen war, dass Violet über einen weiteren Wohnsitz in Schottland verfügte, lag die Vermutung nahe, dass sie Cromdale House als ihr Heim betrachtete. Ich wusste, es war unmöglich, meine zukünftige Schwägerin aufzufordern, sich eine andere Unterkunft zu suchen. Glenda ... Violet ... und als dritte im Bunde ich ... Instinktiv spürte ich, dass diese Konstellation noch so einige Probleme mit sich bringen würde.
Es bot sich für mich keine Gelegenheit, Harrison unter vier Augen zu sprechen. Nicht, dass ich den Eindruck hatte, er mied meine Gegenwart, aber plötzlich erkrankten mehrere Pächter, kostbares Vieh starb auf der Weide und ein Heuschober ging in Flammen auf. Bei dem Brand wurde zum Glück niemand verletzt, auch die Krankheiten waren nicht weiter Besorgnis erregend. Es handelte sich lediglich um harmlose Erkältungen, doch all diese Vorkommnisse machten es erforderlich, dass Harrison von Sonnenaufgang bis in die Nacht hinein unterwegs war. Erneut stellte ich fest, wie sehr ihm das Wohl von Cromdale und allem, was dazugehörte, am Herzen lag. In einer Nacht, nachdem ich mich stundenlang ruhelos von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, überwand ich meine Skrupel und schlich über die Gänge zu Harrisons Zimmer. Das Haus lag in völliger Stille und Dunkelheit. Ich hoffte, dass Harrison noch wach war, vielleicht genauso wenig wie ich schlafen konnte. Ich sehnte mich danach, meinen Kopf an seine Brust zu betten und seinen männlichen Duft zu atmen. Mir brannten so viele Fragen auf der Zunge, die nur Harrison beantworten konnte. Vorsichtig drückte ich die Klinke herunter. Die Tür war verschlossen! Verblüfft probierte ich es ein zweites Mal. Tatsächlich, Harrison hatte abgeschlossen. Ich hob meine Hand, um zu klopfen, ließ sie dann aber wieder sinken. Nein, wenn er nicht gestört werden wollte, so hatte ich es zu respektieren. Warum sonst sollte er seine Tür versperren? Traurig ging ich in mein Zimmer zurück. In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf mehr.
Am nächsten Vormittag ritt ich ins Dorf, um mich nach dem Gesundheitszustand von Rosies Mutter zu erkundigen. Mrs. Grindle hatte einmal beiläufig erwähnt, dass Rosies Vater der Schuster war. Seine Werkstatt war schnell gefunden. Nach kurzem Klopfen trat ich zögernd in den kleinen, nach Leder und Holzspänen riechenden Raum.
»Ja bitte?« Ein großer, hagerer Mann schlurfte aus dem Hinterzimmer in die Werkstatt. Als er mich erblickte, begannen seine Augenlider nervös zu zucken. »Brauchen Sie neue Schuhe, Mylady?«
Ich verneinte, sagte, ich wolle mich nach Mrs. Wersley erkundigen und stellte den mitgebrachten Korb auf einen Stuhl.
»Ich habe mir erlaubt, Ihrer Frau etwas Wein und einen Kuchen mitzubringen. Er ist ganz frisch, meine Köchin hat ihn erst heute Morgen gebacken.«
Mr. Wersleys Augen verengten sich zu Schlitzen.
»Was soll dieser Unfug? Spielen Sie Rotkäppchen, oder was? Warum machen Sie sich über mich
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