Der Schatz von Dongo
dieser
angeblichen Schwangerschaften und Abtreibungen innerhalb derselben zehn
Tage stattgefunden hatten, kam ihnen die Sache doch etwas spanisch vor.
Sie stellten das Mädchen zur Rede, und sie gestand, sie habe immer ein
Pessar benutzt, der Barkeeper habe gar keine Möglichkeit zur
Abtreibung, und sie arbeite als seine Komplizin. Am selben Abend noch
statteten meine Freunde dem Barkeeper einen Besuch ab. Der Mann
behauptete, das Mädchen lüge, es sei hysterisch und eine Hure, und
weigerte sich, jedem der Freunde die ihm bezahlten hundert Dollar
zurückzugeben. Daraufhin zertrümmerten sie ein paar seiner eigenen
Whiskyflaschen auf seinem Kopf und steckten das Lokal in Brand.«
»Aber mein Freund ist nicht so!« protestierte Giorgio empört.
»Mein Freund ist ein integrer Geschäftsmann.«
Bevor er nach Lugano aufbrach, lud Giorgio
Lia zu einem, wie er es nannte, ›Festessen‹ zu uns in die Villa ein.
Das Soufflé seiner Liebe zu ihr war innerhalb von vierundzwanzig
Stunden hoch aufgegangen, und er hatte es mit einem Heiratsantrag
garniert, den sie mit Papa Benfattos Zustimmung bereitwilligst
akzeptierte.
Giorgio fand außerdem, ein weiterer Grund zum Feiern sei
gegeben, weil ich gerade in dem Augenblick, da er sich meinetwegen
Sorgen zu machen begann, eine Frau präsentiert hätte, und überdies noch
eine so wunderschöne. Julietta hatte sich freundlich, allen Aspekten
unseres Unternehmens aufgeschlossen, mir gegenüber jedoch stets
zurückhaltend gezeigt und nichts getan, um die Auffassung, sie sei
meine Freundin, zu unterstützen. In jener ersten Nacht, da sie im
Zimmer gegenüber schlief, hatte mich eine nervöse Erregung gepackt. Ich
stellte mir vor, wie es wäre, wenn sie unter dem einen oder anderen
Vorwand an meine Tür käme oder wenn ich unter einem Vorwand zu ihr
hinüberginge. Doch selbstverständlich war keines von beiden geschehen.
Sei froh, daß nichts dergleichen passiert ist, sagte ich mir
schließlich, ehe ich einschlief. Was hättest du denn getan, wenn sie
gekommen wäre? Hättest du sie mit der gleichen wilden Leidenschaft
beeindruckt, der Iris und Keva zum Opfer gefallen sind? An einen
einzigen Traum jener Nacht erinnerte ich mich: Ich stieg in einen
Omnibus, und als ich die Hand in die Tasche stecken wollte, um Fahrgeld
herauszuholen, entdeckte ich, daß ich vergessen hatte, meine Hose
anzuziehen. Die Leute im Bus wollten sich totlachen, der Busfahrer aber
drückte mir seinen Fuß auf den nackten Hintern und versetzte mir einen
Stoß, so daß ich beim Aussteigen stolperte und lang auf die Straße
flog. Die Leute im Bus lachten hämisch wie Schakale.
Ich fürchtete ein wenig, Juliettas Verhalten –
eindeutig nicht das einer anderen Frau, die mit einem Mann eine Affäre
hat – könnte den anderen auffallen, doch Bis war in die
Vorbereitungen für die Unterwasserexpedition bei Tremezzo vertieft, und
Giorgio hatte nur Augen für Lia.
Es wurde eine sehr schöne Party. Es gab eine Menge zu essen
und zu trinken, und Giorgio erwies sich als ausgesprochen toastsüchtig.
Seine Trinksprüche waren phantasievoll, amüsant und oft
geistreich gereimt, doch endlich schob ich ihm die üppige Lia ans Herz,
damit er den Arm senken und mit dem Gerede aufhören mußte.
Ich schaute mich nach Julietta um, aber sie war schon auf ihr
Zimmer gegangen. Ihre Tür stand halb offen, daher sah ich, daß sie
lesend im Sessel am Fenster saß. Ich klopfte.
»Möchten Sie nicht ein bißchen mit uns essen?«
Sie lächelte. »Ich habe mich in die Küche geschlichen und
etwas gemacht. Ich war halb verhungert. Frische Gnocchi. Hmmm!«
»Tut mir sehr leid, daß wir noch nicht nach Bellagio fahren
konnten, aber Giorgio legte großen Wert darauf, daß ich blieb.«
»Das kann ich verstehen. Er ist doch Ihr Freund, wie Sie mir
sagten.«
»Wir fahren bestimmt morgen früh.«
»Und was glauben die anderen, wohin wir fahren? Von Bellagio
wissen sie doch hoffentlich nichts. Das würde mich sofort verraten.«
»Nein. Einer unserer Tips – wir erhielten ihn durch
Scotland Yard – führt zu einem Bauernhof bei Mailand, wo
Rachele Mussolini lebt. Die anderen glauben, wir fahren dorthin, und
ich werde von Bellagio aus auch wirklich hinfahren. Haben Sie schon mit
Bis gesprochen? Ich meine, über die Situation 1945. Ich bin überzeugt,
daß Sie ihn dazu bringen können, ohne ihm dabei zu verraten, wer Sie
sind.«
»Sie scheinen mich nicht verstanden zu haben. Die Sache ist
für mich erledigt. Ich glaube Ihnen. Deswegen
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