Der Schatz von Njinjo (German Edition)
gekommen sei. Erst heute Nacht werde der erste im neuen Jahr erwartet. Sollte Petermann darin sitzen, wird er mir spätestens morgen über den Weg laufen. Bislang habe ich nur einen einzigen muzungu vor Ort gesehen, „den Lehrer“, wie ihn hier alle nennen, der aus England kommt. Weitere Hellhäutige gebe es erst wieder zwanzig Kilometer nördlich im Hospital des Nachbarorts, dem Verwaltungsstädtchen Kilwa Kivinje. Hier, in Kilwa Masoko, würden wochentags höchstens zwei, am Wochenende vielleicht mal drei wazungu zur Erholung oder auf Entdeckungsreise wohnen, sagt mein Wirt. Dann geselle sich gern der Grieche mit seinem Privatflugzeug dazu, der ansonsten sehr zurückgezogen lebe. Nein, ein Hotel gebe es hier nicht.
Seit einigen Jahren allerdings sei zuweilen mit einer kleinen Invasion zu rechnen, wenn eine Yacht im Hafen anlegt und ein Dutzend Touristen aus Südafrika auf einmal auslädt. Auch wenn der Grieche am Wochenende mal Freunde aus der Stadt mitbringe, flöge dessen kleines Propellerding zuweilen gar zwei oder drei Mal an einem Nachmittag zwischen Dar es Salaam und Kilwa hin und her. Der örtliche Flugplatz, der früher, vor ihrer erfolglosen Privatisierung, regelmäßig von der staatlichen Fluggesellschaft angeflogen wurde, diene sowieso eigentlich nur noch ihm.
Seit meiner Ankunft Montag Nacht habe ich niemanden bemerkt, der irgendwas mit Petermann zu tun haben könnte. Morgens inspizierte ich Busbahnhof und Hafen, tagsüber erkundete ich den Ort. Von Petermann keine Spur. Doch er wird kommen. Will er nach Njinjo, dann muss er zwangsläufig über Kilwa. Es gibt keinen anderen Weg. Kilwa ist der letzte halbwegs erschlossene Ort auf weiter Flur. Nur von hier aus kann er irgendeinen Transport organisieren, nur hier kann er Ortskundige und Helfer finden, nur hier gibt es noch Proviant. Taucht der muzungu hier nicht auf, stimmt gar nichts mehr.
Ich soll tatsächlich einmal Recht behalten: Am Donnerstagmorgen entdecke ich ihn. In bester Detektivmanier hinter einem dicken Baobab versteckt, stockt mir der Atem: Jens Petermann aus Rosengarten in Deutschland, wie er leibt und lebt, keine fünfzehn Meter entfernt von mir auf dem Markt von Kilwa Masoko, am Ende der Welt. Im gleichen Moment legt sich von hinten eine Hand auf meine Schulter, und eine tiefe Stimme fordert mich auf, „die Kiste“ rauszurücken.
„Hä? Welche Kiste, hä?“ frage ich wütend, während ich versuche mich umzudrehen. Das verhindert augenblicklich ein eiserner Griff, der mein Schulterblatt schient und alles darunter Liegende starr nach vorne zwingt. Auch den Kopf zu drehen wage ich da nicht mehr, weder nach rechts noch links.
„ Chagga, juha, verarsch uns nicht. Wir wissen, was du hier treibst und suchst!“ Langsam dämmert’s mir, mit wem ich es zu tun habe: Kolimbas Gorilla! Hier? Verdammt, was glaubt der Schieber, was ich ihm schulde?
„Ach ja, wonach such ich denn, hä?“ Rasend tickt es im Gehirn. Solange sich Kolimbas Handlanger mir nicht zeigen mag, hab ich noch Zeit. „Wenn ihr das wüsstet, dann wüsstest du auch, dass ich noch überhaupt nicht in der Nähe diese Kiste war! Die muss erst noch gefunden werden! Das kann ich gar nicht selbst!“
„Wie das? Wer soweit reist, tut das doch nicht ohne zu wissen warum! Du willst uns doch nicht wirklich ...“, doch ohne den Satz zu vollenden, löst sich urplötzlich die Hand von meiner Schulter. Ich schaue weiter stur nach vorn und sehe zehn Schritte entfernt einen Uniformierten um die Ecke hasten. Als der mich erblickt, schreit er „Halt!“ und rennt direkt auf mich zu. Schockstarr bleibe ich unbewegt stehen. Ein zweiter Bulle kommt hinterher, doch auf meiner Höhe angekommen, sprinten beide an mir vorbei. Als seien sie hinter Kolimbas Leibwächter her. Endlich traue ich mich, mich umzugucken: Gerade verschwindet die Silhouette eines großen, gewichtigen Mannes hinter der Mauer zum Gelände der Moschee. Er scheint entwischt.
Wenige Augenblicke später kommen beide Bullen etwas derangiert zurück zum Markt. Sie sind es offensichtlich nicht gewohnt, in dieser Hitze Verdächtigen hinterher zu rennen, geschweige denn sie nicht zu fangen, und wirken gehörig frustriert. Noch ganz außer Atem, nimmt der Jüngere nun mich ins Visier, greift nach meinem Arm und fordert barsch meinen Namen. „Ey, was zum Teufel soll das? Loslassen!“, empöre ich mich. Suchen die hier etwa auch schon nach mir? Mein empörter Aufschrei hat Aufmerksamkeit erregt, auch die von Petermann,
Weitere Kostenlose Bücher