Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Seine Angst vor Polizisten und dem seltsamen Typ aus Dar es Salaam, der ihn zu verfolgen scheint, legt sich mit jeder Minute mehr, die er unbehelligt im Ort verbringt.
Gestern Abend hatte er statt Reis mit Fisch feierlich angerichtetes kuku na chipsi verzehrt, Hähnchen mit Pommes. Mehr zu probieren von den zur Hochzeit aufgefahrenen Köstlichkeiten, die rund um den Festplatz vor sich hin brutzelten, hatte er sich nicht getraut, wenig später auch hatte der Hafenmeister ihn schon wieder weggeführt. Als wären sie auf der Hochzeit des Kapitäns doch nicht so erwünscht gewesen; ganz verstanden hatte er die Abläufe nicht.
Später beim Bier hatte Sam Masisi ihm von einem Flugzeug erzählt, das nicht dem Griechen gehöre und am Nachmittag mit einem hageren Asiaten an Bord gelandet sei. Der Fluggast, der von einem Kaufmann aus Kilwa Kivinje mit einem brandneuen Pajero abgeholt worden sei, sei offenbar nur wenige Stunden hier geblieben. Schon am frühen Nachmittag habe die Maschine wieder abgehoben.
„Ein fremdes Flugzeug hat es hier seit der großen Überschwemmung letztes Jahr nicht mehr gegeben, als diese ‚hoffnungsvollen Ärzte’ die halbe Welt auf den Plan riefen. Erst posaunten die irgendwas von ‚tausend Toten’ in die Welt, und dann, als sich das als typische Übertreibung zur Erhöhung des eigenen Marktwerts und des Spendenaufkommens entpuppte und ihnen noch dazu ihr Landrover verreckte, saßen deren vier eingeflogene Helfer länger bei mir als bei irgendwelchen Opfern.“
Wer denn dieser Passagier in der Maschine gewesen sei, wollte Petermann wissen. Das habe man ihn heute bereits schon mal gefragt, antwortet Masisi: „Vergeblich. Ich hab ihn ja selbst gar nicht gesehen.“
„Vor mir war schon jemand hier?“, war Petermann erstaunt aufgeschreckt.
„Ja. Ein Chagga. “
„Ein was? Ein Polizist?“
„Nein, nein, ein harmlos aussehender Mann aus dem Norden, vom Kilimanjaro oder so.“
Beim zweiten gemeinsamen Bier waren Petermann dann zwei Lichter aufgegangen. Der Mann aus Dar, sein Verfolger: War der etwa schon Finn gefolgt? Seit der auf dem Kilimanjaro herumkraxelte? Und der Mann an Bord des Flugzeugs? Ein „dürrer, älterer Asiate“, so Masisi. Der Archivdirektor! Finns Mörder! Beide gleichzeitig in diesem isolierten, allseits von Wasser umzingelten Kaff ohne Transportmöglichkeiten. Das kann kein Zufall sein. Augenblicklich lag dem Deutschen da noch viel mehr daran, so schnell wie möglich aus Kilwa wegzukommen.
Während ihn jetzt bei der Erinnerung die Angst beschleicht, tritt Sam Masisi ins Lokal. Sein Kontakt zum Kapitän des Motorschiffes, der kein Wort Englisch spricht, habe leider noch immer nichts gebracht. Aber mal nebenbei: Wieviel Petermann denn eigentlich in die Fahrt nach Njinjo investieren wolle?
„Oh, das darf schon etwas kosten, Sam“, versichert der Deutsche. „Vor allem, wenn’s schnell geht. Lange warten kann ich nicht mehr.“
Herausgefordert von der Eile des muzungu – oder ist das nur diese so bedingungslose Sucht des Europäers nach „Effizienz“? –, wird Masisi nun bestimmt. „Kein Problem, Mr. Jens, heute Nachmittag hab ich den Käpt’n so weit.“ Nicht nur, weil der Wirt nun weiß, dass die Sache dem muzungu einiges wert ist, woran sich teilhaben lässt, ist sein Elan geweckt; jetzt geht es auch um seine Stellung in der Stadt. „Spätestens morgen geht es los, versprochen!“
Tatsächlich wird Masisi am Nachmittag von Yussufu Hamad empfangen. Wenige Drohungen und Versprechungen später ist der Kapitän bereit, dem muzungu für zweitausend Dollar Schiff und Mannschaft zu überlassen. „Dafür schipper’ ich ihn einmal den Matandu rauf und runter. Wenn’s sein muss, noch heute Abend.“
Petermann trifft Masisi allerdings erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder, viel zu spät, um noch am gleichen Abend aufzubrechen.
„Zweitausend Dollar? Ja, spinnt der denn?“, fragt der Deutsche eingangs ungläubig den Wirt.
„Wieso, das ist doch ein völlig normaler Preis fürs Chartern eines Handelsschiffes. Dafür kriegen Sie bei sich noch nicht einmal ein Rettungsboot.“
Rasch wird Petermann klar, dass der Hafenmeister Recht hat. Er ist von eigenartigen Preis-Leistungs-Verhältnissen ausgegangen. Kaum anderthalbtausend Euro fürs Chartern eines Motorschiffs samt erfahrener Mannschaft auf unbestimmte Zeit, mindestens zwei, möglicherweise auch fünf, sechs Tage, noch dazu direkt nach der Hochzeit des Kapitäns, der eine Order zum Salztransport
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