Der Schatz von Njinjo (German Edition)
sich hin, bis der Gestank auch die oberen Stockwerke erreichte und zum allgemeinen Aufruhr führte.
Wer, verdammt noch mal, hat eine passende Tiefkühltruhe? Wilfrem! Natürlich, warum ist er da nicht gleich drauf gekommen. Wilfrem Fundikira, sein bester Mann, dessen Bruder dieses Restaurant in der Indira-Gandhi-Street betreibt. Dort müsste es doch eine Truhe geben.
„Wilfrem, angetreten!“ Makaïdi ist wild entschlossen. Sein Helfer stolpert mit tropfenden Duty-Free-Tüten an den Füßen herbei.
„Dein Bruder hat doch eine Tiefkühltruhe, hä?“
„Im Restaurant, ja. Wieso?“ Fundikira schwant bereits Böses.
„Und Strom? Die letzte Rechnung ist bezahlt?“
„Ja, Chef, aber ...“, weiter kommt er nicht.
„Yeah, dann packst du jetzt mit Nehemiah deine Sachen, und die Leiche in einen unserer großen Säcke. Zusammen bringt ihr sie auf der Stelle in die Truhe!“
„Aber Chef!“ Jetzt ist auch der letzte Bulle alarmiert. „Mein Bruder wird mich rausschmeißen. Ich kann ihm doch keine Leiche in die Tiefkühltruhe legen. Da liegen sonst Fische, Eier, Hühnchen, sogar Rinderbeine drin!“ Doch Fundikiras Widerstand bricht schneller zusammen als er sich empören kann: Um die Ernsthaftigkeit der Angelegenheit zu unterstreichen, hebt Makaïdi zweimal kurz die Augenbrauen. Dann steckt er Fundikira zwei, Baregu einen von zur Lippes Scheinen zu, und die Sache ist erledigt.
----
13. Petermann verschwindet
Petermann hat die Nacht im Dar es Salaam Serena Hotel verbracht, dem früheren „Sheraton“, allein und ohne jegliche Lust zum Feiern. Was für ein beschissenes Silvester, pah! Das Luxushotel schien ihm der sicherste und unverdächtigste Ort der Stadt. Zuerst wollte er direkt zur Botschaft gestern. Doch mit jedem Schritt wuchsen die Zweifel, ob er sich dort überhaupt blicken lassen sollte. Nur dadurch würde es doch erst eine Verbindung zwischen ihm und Finn geben! Kein Eintrag im Hotel, nichts sonst weist auf ihn hin. Also hatte er sich nicht gemeldet. Aber auch die Stadt fluchtartig zu verlassen, schien ihm im Moment unangebracht, zu viel war zu bedenken.
Seit dem gestrigen Mittag fühlt Petermann sich als Nachlassverwalter seines Freundes, er hat was zu erledigen. Sie kannten sich von Kindesbeinen an. Was haben sie nicht alles gemeinsam erlebt! Demos mit fünfzehn, Persiko- und Bier-Gelage, diverseste Beziehungen, die Pyramiden und Abu Simbel Anfang zwanzig, damals, als man da noch mit dem Schiff hinfuhr, später Acapulco, Delphine im Orinoco, patzige Ranger im Grand Canyon, Drachenfliegen über den Victoria Falls – und jetzt das!
In Finns Brusttasche hat er nicht nur dessen Geld, Ticket, Pass gefunden, sondern auch die Kopie des Briefes, von dem Finn ihm immer wieder erzählt hatte: Darin beschreibt Finns Urgroßvater auf den Baum genau die Lage seiner vergrabenen Hinterlassenschaften, ohne allerdings eindeutig zu sagen, wo er sich eigentlich befindet. Eine Rallye ohne Start, dafür mit Ziel: Das sollte er sich einmal genauer anschauen, das ist er seinem Freund doch schuldig.
Am Abend war er noch einmal hinaus in die stockfinstere Nacht gegangen, die keine hundert Meter hinterm Hotel beginnt und in der Unendlichkeit des Ozeans versinkt. Bis er am Strand stand: Wie gern hätte er sich einfach so ins wannenwarme Meer gestürzt, um auf Nimmerwiedersehen rauszuschwimmen. Über die im fahlen Mondlicht weiß schimmernden Schaumkronen hinweg, bis ihn die Kräfte verlassen. Doch lebensmüde war Petermann nicht. Nicht an Silvester, dem Tag des Neuanfangs und aller guten Vorsätze. Und auch eine ganz andere Beobachtung, die er noch bei Tageslicht machte, sprach gegen das Hinausschwimmen: das verdreckte Wasser, das hier mit dem Müll Abertausender zu kämpfen hat. Gibt es in Dar es Salaam überhaupt Kläranlagen? Grassierte nicht gerade erst die Cholera?
Als Jens Petermann vom Strand ins Hotel zurückkehrt, tobt um ihn herum das Leben. Anscheinend war der Jahreswechsel längst vollzogen, ohne dass er es bemerkt hatte. Kein Silvesterfeuerwerk zierte den Nachthimmel über Dar es Salaam, kaum Knallerei war zu hören im „Hafen des Friedens“ in einem der ärmsten Länder der Welt. Um Petermann herum allerdings feiern die Menschen den Anbruch des neuen Jahres fast wie in Hamburg, fast wie zuhaus. Viele Hellhäutige, viel zu viele übergewichtige Einheimische und noch viel mehr Menschen in unverschämt teuren Abendroben und schwarzen Fracks. Gerade bahnt sich ein schwer beleibter, riesiger
Weitere Kostenlose Bücher