Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Wahrscheinlich schau ich bei der Frage ziemlich blöd drein. Trotzdem kriege ich eine vernünftige Antwort.
„Fang doch mit dem Erstbesten an, zum Beispiel dem ‚New Africa’ beim Askari-Denkmal.“
„O.k., wie komme ich dahin?“ Zweimal beschreibt sie mir freundlich den Weg, ehe ich mich ins Straßengewühl begebe. Es ist kurz nach zwei – acht Uhr muzungu-time –, das Stadtleben brodelt. Drei Straßen weiter werde ich unsicher, fünf Ecken später hab ich mich verlaufen. Erneut suche ich nach Menschen, die ich fragen kann.
„Info-Büro für wazungu ? Keine Ahnung, wo’s hier sowas gibt. Frag doch mal in den Hotels.“ Das wird zur Standardantwort. Je weiter ich mich allerdings vom Busbahnhof im „Afrikanerviertel“ Kariakoo entferne, desto häufiger begegnen mir jetzt Europäer: Ich steuere eindeutig aufs Zentrum zu. Auch ein Hotel liegt endlich neben mir. Zwar heißt es nicht „New Africa“, sondern „Continental“, aber immerhin. Dort ist die Rezeptionistin ein wenig schlauer.
„ Tourist Information? Am Ende der Samora Avenue beim Askari-Denkmal!“ Zum zweiten Mal höre ich jetzt diesen seltsamen Begriff: Ein Denkmal für die Hilfstruppen der deutschen Kolonialisten, mitten im ex-sozialistischen Dar es Salaam des 21. Jahrhunderts. Ich kann's kaum glauben, obwohl ich schon in der Schule davon hörte: Errichtet 1927! Auch in Moshi gibt es Relikte aus der ach so tollen Kolonialzeit: Mehrere Dutzend deutsche und englische Soldatengräber. Aber hier? Ein Denkmal der Kolonialisten für ihre Helfer? Da stimmt doch irgendetwas nicht.
Als ich zehn Minuten später ans Ende der Hauptstraße komme, steht da wirklich auf einem zwei Meter hohen Podest lebensgroß ebendieser Kolonialsoldat: Sturmgewehr mit Bajonett im Angriff, Tornister auf dem Rücken. „Zur Erinnerung an die einheimischen kämpfenden Truppen, an die Träger, die Fuß und Hand der Armee waren.“ Zu dessen Füßen verfrühstückt gerade eine Handvoll Hellhäutiger auf der Terrasse des benachbarten „New Africa“-Hotels das übliche Monatseinkommen der Askari-Enkel. Für Momente wähne ich mich im falschen Jahrhundert.
Drinnen im Hotel erinnert ein Schild an die wechselvolle Geschichte dieses bekanntesten Kolonialhotels Tanzanias, das bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts noch „Kaiserhof“ hieß. Dem Zeitgeist folgend gehört es heute einer südafrikanischen Investorengruppe, die als Erstes die Fassaden weißen ließ. Jetzt strahlt das Haus wie die Gletscher des Kilimanjaro: außen gleißend, innen hohl. An der Rezeption erklärt man mir, ich sei schon wieder am falschen Ort. Der „State Travel Service“ unterhalte sein Informationsbüro schräg gegenüber. Vom Portal aus entdecke ich es – jedoch verschlossen. Es öffnet erst in knapp zwei Stunden.
Was tun bis dahin? Ich besinne mich meines Charmes und schlendere zurück zum ‚New Africa’. Einfach so, vielleicht treffe ich dort ja sogar diesen Deutschen. Noch bevor ich auch nur einen Fuß auf die Frühstücksterrasse setzen kann, fragt mich ein hoteleigener Kellner nach meinen Wünschen. Wie zuvorkommend! Da ich ihm keinen bezahlbaren Wunsch nennen kann, weigert er sich, mir einen Platz zuzuweisen. Also setze ich mich auf eigene Faust. Während ich die herumwieselnden Menschen auf der Straße beobachte, passiert dann eine halbe Stunde lang erstmal gar nichts. Irgendwann jedoch kommt ein befrackter Oberkellner, um mich höflichst hinauszukomplimentieren: „Entschuldigen sie, Sir , ihr Platz ist leider reserviert!“ „Oh, tut mir leid, ich bleibe nicht lange. Bringen Sie mir doch bitte rasch einen Tee.“ So werde ich dann doch noch eine Bestellung los: eine Tasse chai . Zwei Minuten später stellt mir der Oberkellner Tasse samt Rechnung vor die Nase, und mich schaudert’s: Viertausend Shilling für eine einzige Tasse chai ! Das ist der Hammer. Zwanzigmal mehr als üblich! Noch dazu fehlen Milch und Zucker, der Tee ist englisch braun wie Regenwasser, schlichtweg ungenießbar. Der Kellner wartet neben mir, bis ich bezahle. Wenn das so weiter geht, bin ich in vierundzwanzig Stunden echt bankrott.
Kurz darauf steht der Oberkellner schon wieder vor meinem Tisch. Betont lässig fragt er: „Darf ich Ihnen noch etwas reichen, Sir?“ Ich stehe auf und gehe. Bis das Tourist Office öffnet, sind es noch drei Viertelstunden, so schlendere ich hinunter zum Wasser. Die See in der Hafenbucht ist ruhig, darüber steht feuchtheiße Luft. Am strahlend blauen Himmel macht
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