Der Schatz von Njinjo (German Edition)
das Gespräch hier ab. „Vielleicht schicken sie uns mal ein Exemplar ihres Berichts?“
„Selbstverständlich.“ Mit kurzem Dank und einem Gruß verabschiede ich mich. Der Direktor wünscht mir einen schönen Tag, dann gehe ich. Bevor ich durch die Tür entschwinde, blicke ich noch mal kurz zurück: Direktor Roh hat sich meinen Studenten zur Seite genommen.
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18. Der Generaldirektor hat Angst
Generaldirektor Singai Roh wittert eine letzte, große Chance. Seit er vor einem halben Jahr erfuhr, dass er sich mit diesem heimtückischen Virus infiziert hat, ist es die Hoffnung auf wissenschaftlichen Nachruhm, die ihn am Leben hält. Obwohl er es geschafft hat, sich unverzüglich mit einem Koffer voll viruskillender Medikamente aus Indien einzudecken, ein Vorrat, der ewig reichen sollte, ist Roh sich sicher, nicht mehr lang zu leben. Das Zeug macht fürchterlich schlapp, dauernd ist ihm seither auch schlecht. Welch eine Schande, wenn irgendwer den Grund erfährt! Aids kriegen doch nur diese bigamistischen Schwarzen, verdammt! Oder Schwule.
Wut aber hält niemanden am Leben. Der Archivchef denkt fieberhaft nach. 1916? Kilwa? Zweimal an einem Tag Fragen zu Ereignissen am Arsch der Welt, die Generationen weit zurückliegen. Wer hat diesen Chagga bloß hierher geschickt? Das kann doch eigentlich nur der Deutsche selbst gewesen sein, den er heute Morgen zu Besuch hatte. Was wusste der? Und was noch nicht? Warum wollte der nach den Berichten aus dem Oktober jetzt auch noch das Gleiche über den Juli und August in diesem Kriegsjahr herausbekommen? Wozu jetzt diese illegale Kartenkopiererei? Traute er sich das nicht selbst? Oder war Roh ihm vielleicht zu teuer gewesen, hatte der Weiße geglaubt, den Preis drücken zu können, indem er einen Einheimischen vorschickt? Dabei hatte dieser Schutte ihm die 50 Dollar doch zugesteckt, ohne dass Roh ihn überhaupt darauf angesprochen hatte. Das war doch auch überhaupt nicht seine Art. Hatte der Deutsche am Ende gemerkt, dass Roh sich über dessen Recherche Bericht erstatten ließ?
Deutsche, vor den Engländern geflohen, am Südufer des Matandu! Niemand hat darüber bisher etwas veröffentlicht, diese Geschichte harrt ihrer Entdeckung. Am Südufer? Da saßen deutsche Flüchtlinge doch erst ab Oktober, im August siedelten viele noch unbehelligt nördlich des Flusses. War es das, was dieser Chagga rausbekommen sollte? Was ist an diesen fast hundert Jahre toten Siedlern heute noch so spannend, dass ein Nachkomme der Kolonialisten extra anreist und sich für sie interessiert? Was, außer deren Hinterlassenschaft?
Der muzungu wird kaum aus Nostalgie von so weit her gekommen sein. Und drei Stunden später dann nochmals dieser Chagga: Direktor Roh fühlt sich mehr schlecht als recht im Bilde.
Katasterblätter einsehen hat Roh sie beide lassen, Tagesbefehle der deutschen wie britischen Truppen, Landkarten. Alles frisch sortiert von dieser so unglaublich hoch bezahlten deutschen Historikerin, die ihm das Außenministerium vor einem halben Jahr zugewiesen hatte. Seitdem poliert sie das koloniale Erbe, zumindest das der Deutschen. Worum sich deutsche Politiker von heute so alles sorgten ...
Als Roh Hannes gegen vier Uhr verabschiedete, hatte er ja doch noch was erfahren. Sein Besucher verplapperte sich ein bisschen. Einen Brief gebe es, und der Informant stamme aus Europa, wie zu erwarten. Roh wird sich sicher: Wabaye muss ein Handlanger Schuttes sein. Der muzungu wiederum besitzt einen Brief, in dem mehr steht als nur ein Bericht vom Leben anno 1916. Irgendwas über Vorfahren. Wissenschaftlich hochinteressant, aber auch Handfestes könnte das Papier enthalten: Hinweise auf deren Erbe. Roh beschließt, diesem Schutte noch mal auf den Zahn zu fühlen. Vielleicht lässt sich der Brief ja fürs Nationalarchiv erwerben.
Den Direktor reizt es, sich dem Deutschen an die Fersen zu heften. Der verwirrende Besuch des Chagga hat diese Idee nur noch bestärkt. Wabayes Abschiedsgruß hallt irgendwie bedrohlich in seinen Ohren: „Vielen Dank nochmals für ihre Mühe. Und das in ihrer Lage! Aber es hat sich ja schon gelohnt.“
Dabei war Hannes einfach fröhlich.
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19. Hannes oder der letzte Grund
Kurz vor Sonnenuntergang bin ich zurück, setze mich auf die Terrasse vor Schuttes Hotel und warte. Vielleicht habe ich ja Glück, und Schutte samt Begleiter lassen sich blicken. Dann wüsste ich wenigstens, wie der Freund aussieht. Nach einer Stunde aber – halb acht muzungu-time – ist
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