Der Schatz von Njinjo (German Edition)
existieren, sind samt und sonders im Weihnachtsurlaub, und die Frau, die die Eintrittskarten verkauft, hat von Tuten und Blasen keine Ahnung. Weil ich nun aber bereits 1.500 Shilling für den Eintritt ausgegeben habe, durchschlurfe ich zwei Etagen voll kolonialen Kokolores.
Unten nimmt, gesponsert von einem britischen Kolonialwarenhändler, die Kopie der berühmtesten archäologischen Fundstätte Tanzanias eine ganze Wand ein. Schon vor Millionen Jahren, als in Europa noch keine Stechmücke überlebte, lebten bei uns Menschen. Ansonsten gibt es im Erdgeschoss außer den Resten eines alten Autos, in dem irgendein englischer Gouverneur herumchauffiert worden ist, nichts Bemerkenswertes.
Eine Etage höher empfängt den Besucher ein Foto von „Apollo 12“ – Gastgeschenk eines US-Präsidenten. Die Legende erzählt von irgendwelchen US-Amerikanern, die Ende der 60er Jahre einmal auf dem Mond gelandet sein sollen. Man stelle sich das mal vor! Soviel ich weiß, ist der 400.000 Kilometer weg, und ich kann mir kaum die 500 Kilometer weite Reise von Moshi nach Dar es Salaam leisten! Was ein solches Foto im tanzanischen Nationalmuseum zu suchen hat, bleibt mir schleierhaft. Nicht mal besonders wertvoll kann es sein, so vergilbt wie es ist.
Im Saal dahinter hängt ein Dutzend alter Fotos mit Eisenbahnschienen, einem „Deutschen Krankenhaus“, einer alten Schule, einem „Panzerkreuzer“ – was für einen Nutzen hat denn so ein Schiff? – und einem uralten Propellerflugzeug, kommentiert von englischen Texten, die die Errungenschaften der Kolonisation heraufbeschwören. Wie haben meine Urgroßeltern da wohl gelebt? Gab es die vielleicht sogar davor? Die hinterste Ecke schmückt ein Gemälde zur Sklaverei, auf dem ein peitschenschwingender Araber meine Vorfahren in Ketten unter das Deck eines Segelschiffs prügelt.
Eine volle Stunde vergeude ich in der schnöden Hoffnung, hier etwas Verwertbares über die Vergangenheit meines Landes zu erfahren. Irgendwann laufe ich laut meckernd über den Hof zur Toilette. Auf dem Weg bringt mich ein Bauarbeiter auf die rettende Idee. Vom Gerüst herunter unterbricht er meine Litanei mit dem wegweisenden Spruch: „Wenn’s dir hier nicht passt, geh doch rüber!“
„Wie bitte? Wohin?“, frage ich entgeistert in die Luft.
„Na, ins Archiv, Vijibweni Street, bei der UNESCO nebenan. Meckerer wie dich brauchen wir hier nicht. Dies ist ein schönes Haus!“
Nun weiß ich wenigstens, wohin ich mich zu wenden habe. Inständig hoffe ich, dass nicht auch dort überall der Urlaub ausgebrochen ist.
Das Nationalarchiv liegt gut zwei Kilometer entfernt. Als ich es nach einigem Herumgefrage endlich finde, ist es Mittag. Kein besonderes Problem, denn für Normalsterbliche ist das Archiv sowieso nicht zugänglich. Also hat es auch keine Öffnungs- oder gar Mittagszeiten. Meine Glückssträhne jedoch bleibt mir treu. Der Pförtner, den ich treuherzig bitte mir zu sagen, wer über das Kriegsgeschehen im Jahr 1916 Auskunft geben könne, blickt mich ungläubig an. „Sie sind jetzt schon der Zweite, der das heute wissen will! Als wär’ der Krieg neu ausgebrochen! Erst vor wenigen Stunden war ein muzungu hier, der ähnlich fragte. Da wenden sie sich mal lieber gleich an den Chef!“
„An den Direktor? Ist der denn da?“ Schutte ist hier gewesen. Ich lasse mir meine Überraschung nicht anmerken.
„Mister Roh? Der ist immer da, arbeitet seit Wochen wie ein Besessener.“
„Und meinen sie, er empfängt mich?“
„Einen Chagga? Das wollen wir doch mal sehen! Immerhin hat er eben auch diesen Fremden empfangen.“
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17. Hannes sichtet Akten
Zwei Minuten später schüttelt mir, Hannes Wabaye, beschäftigungsloser Wirtschaftsberater, aber Möchtegerndetektiv aus Moshi am Kilimanjaro, der Generaldirektor des tanzanischen Nationalarchivs die Hand. „Kommen sie doch herein. Nehmen sie Platz. Singai Roh, was kann ich für sie tun?“, sind seine ersten Worte.
„Oh, ich bin Hannes Wabaye. Sehr erfreut.“ Der Direktor, offensichtlich irgendwann aus Asien zugewandert, hat einen kräftigen Händedruck, macht ansonsten aber einen eher zerbrechlichen Eindruck. Krank sieht er aus. „Ich komme aus Moshi und hätte gern einige Informationen über Ereignisse während des Kriegs 1916.“
„1916?“ Bei der Jahreszahl zucken kurz Singai Rohs Augenbrauen. „Das liegt über achtzig Jahre zurück, mein Freund! Ich glaube nicht, das wir aus dieser Zeit noch viele Akten haben.“ Dabei
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