Der Schatz von Njinjo (German Edition)
Momente träume ich von Askaris, britischen Söldnern, von Gold, Blut und Reichtum. Fast schmerzhaft reißt mich schließlich unerwartet Stille aus den Träumen, der Schiffsmotor stirbt ab. Wir sinken! Sekunden später setzt der Rumpf des Boots sanft auf dem Wasser auf, dann gleiten wir vor dem Strand der schönsten Stadt entlang, die ich je sah.
Eine Küstenlinie ganz in weiß, links zwei Herrschaftsbauten mit Türmen, höher als alles drumherum, mittendrin ein gewaltiges Fort, dahinter vier, fünf Minarette, zwei Kirchtürme, alles weiß in weiß unter Afrikas gleißender Mittagssonne. Ganz rechts ein brandneu geweißtes Gebäude mit großen bunten Bleiglasfenstern: Ich drücke mir die Nase platt am verkratzten Fenster und staune. Zanzibar, Stadt der Araber und Präsident Karumes, der sie vertrieb, Land all der scharfen Sozialismus-Träume, die bald platzten, seither Ziel weltweit agierender Tourismus- und Hotelkonzerne: Ich komme!
Am Anleger vertäut einer der Stewards unser Schiff hinter dem Heck eines hundertmal größeren. Vor uns liegt ein Luxusliner, „Europa“ – ausgerechnet! –, gestylt wie für einen Science Fiction Film. Ein etwas älteres Exemplar – das „Traumschiff“ – kenne ich aus dem kenyanischen Fernsehen, da sitzen immer fünfhundert Deutsche drin, lassen sich operieren und futtern sich zu Tode. Vor solchen Riesenpötten verkommt unsere Tragflügelfähre mit ihren gut hundert Passagieren zur billigen Zigarre. Menschen sieht man keine. Entweder liegen deren Balkone, Aussichts- und Aufenthaltsplattformen viel zu hoch – zehn Stockwerke über mir! –, oder die Passagiere haben das Schiff zum Landgang längst verlassen. Dann posiert ein weiblicher Teil jetzt wahrscheinlich leicht bekleidet an irgendeinem Strand, mitten zwischen gläubigen Moslems. Wie damals diese fast nackten amerikanischen Soldatinnen am Strand von Mogadishu mit dem Gewehr überm Bikini! War das ein Bild!
Die Uhr vor der Gangway zeigt Viertel vor elf muzungu-time , um halb zwölf soll ich meinen Lieferanten im „Spice Inn“, mitten in Stonetown, treffen. Stonetown, Zanzibars Altstadt, Weltkulturerbe: Die Stadt prickelt.
Direkt nach dem Verlassen des Schiffs wird meine Euphorie gedämpft. Um mich wimmelt es vor Menschen, keine Frage. Ich spüre, wie sich ein Körper hinter meinen Rücken schiebt. Alles drängelt, doch dieser Typ scheint mir nicht zufällig so nah. Bei der Pass- und Zollkontrolle bekomme ich ihn kurz zu Gesicht: Mittelalt, mittelgroß, unscheinbar angezogen, durchtrainiert, sportlich. Ein Mann ohne Kennzeichen, Anzugträger, immerhin. Ein zanzibarischer Bulle checkt pingelig genau meinen Pass und wundert sich, dass ich nicht nur ein einfaches Identitätspapier vorlege, sondern einen echten tanzanischen Reisepass. Am Zoll lässt man mich nur deshalb schnell passieren, weil ich kein Gepäck dabei habe. So jedenfalls scheint es mir: als reiste ich ins Ausland.
Zehn Minuten später stehe ich am Strand. Während ich den Kids und Anglern zuschaue und überlege, ob nicht auch ich zur Erfrischung rasch ins Wasser springen sollte – und mir gerade noch rechtzeitig einfällt, dass ich nie schwimmen gelernt habe –, taucht urplötzlich einige Meter entfernt der Mann ohne Eigenschaften wieder auf. Verfolgt der mich? Kolimba hat mir einen Stadtplan mitgegeben, mit dessen Hilfe ich mir jetzt schnell einen Überblick verschaffe. Die Straßen im engeren Umkreis sind nur unscharf eingetragen. Bevor ich mich in Gang setze, wendet sich auch der Fremde von mir ab. Als wenn er wüsste, wohin es mich zieht, geht er auf eine Gasse zu, die auch ich mir ausgesucht habe, um zum „Spice Inn“ zu kommen. Ich folge ihm.
Unmittelbar hinterm Strand beginnt die Altstadt: Hunderte aus Korallen erbaute, mehrstöckige Häuser mit prächtigen, schweren Türen aus wurmstichigem Holz. Aus der Schule weiß ich, dass viele größere Gebäude einen Keller haben, in dem früher – noch vor neunzig Jahren! – Sklaven zwischengelagert wurden. Die kunstvoll verschnörkelten Balkone der Häuser liegen sich so eng gegenüber, dass man zuweilen glaubt, sie berührten sich. Alle fünfzig Meter allerdings ist eins der Gebäude zusammengebrochen, an allen Ecken und Kanten wird hier renoviert. In der Zeitung stand kürzlich, wer am „Wiederaufbau“ Zanzibars, wie man es nennt, alles so beteiligt ist: Federführend italienische Städteplaner, die schicke Boutiquen für Touristen und reihenweise Hotels errichten. „Geldwaschanlagen für
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