Der Schatz von Njinjo (German Edition)
noch immer kein passender Hellhäutiger aufgetaucht, dafür klafft in meinem Portemonnaie die letzte 500-Shilling-Lücke für die Cola. Ich beschließe, die fünf, sechs Kilometer zu Majories Familie nach Temeke nur noch zu Fuß zu gehen. Zeit kostet schließlich nichts.
Am nächsten Morgen – Dienstag vor Silvester – schaue ich auf dem Weg zum Fährterminal noch einmal ins „Continental“. Mein Boot geht erst um drei, eine gute Stunde hab ich noch. Hinterm Empfangstresen lächelt mich die Frau von gestern an. Heute würde ich mich von ihr sogar direkt zu Schutte schicken lassen, ohne den muzungu natürlich wirklich aufzusuchen. Stattdessen aber nickt sie nur mit dem Kopf nach vorn, wo das Frühstückszimmer liegt. Volltreffer! Dort sitzt, hinter einer dunkel getönten Glaswand, Schutte mit einem weiteren Hellhäutigen beim Kaffee. Gerade will ich mich bei der Rezeptionistin bedanken und der Glaubwürdigkeit halber notgedrungen auf Schutte zu marschieren, da verschwindet sie: Sie hätte mal kurz was zu erledigen. Genauso unsichtbar, wie ich gekommen bin, gelingt es so auch mir, mich vorne rum davonzuschleichen.
Schuttes Kompagnon habe ich nur vage wahrgenommen, aber der läuft mir ja nicht weg. Ein schlaksiger Blondschopf, mehr ließ sich nicht erkennen. Wenn ich von der Insel zurück und um 100.000 Shilling reicher bin – o.k., um 80.000, um genau zu sein –, kann ich mich immer noch um die beiden kümmern, die wollen ja offenbar frühestens morgen weg. Jetzt muss ich mich doch langsam sputen für das Schiff nach Zanzibar. Den Anleger hat mir Nyaucho am Morgen beschrieben.
Ende der Achtziger Jahre hatte ich einmal aus Abenteuerlust – vergeblich – versucht, einen Trip in den Teilstaat auf die sagenumwobenen Inseln Unguja und Pemba zu unternehmen. Damals gab es die Fährterminals noch nicht. Höchstens einmal pro Woche fuhr ein überalterter Dampfer vom Festland rüber ins ex-Sultanat, ansonsten nur unberechenbare Dhows . Planmäßige, fast stündliche Fähren auf die Insel gibt es erst seit ein paar Jahren, seit wieder arabisches Geld auf die Inseln fließt. Seither allerdings häufen sich auch die Fährunglücke ...
Nyaucho hatte sich gestern noch empört, dass es für einen Festlandsbewohner trotzdem bis heute nicht so einfach sei, einfach mal rüber auf die Inseln, nach Zanzibar zu fahren, egal, wie lange die schon Teil von Tanzania seien. Registriert werde man da, und auf jeden Fall brauche man einen Ausweis, den ich ja glücklicherweise besäße.
„Woher weißt du denn, dass ich einen Pass habe?“, fragte ich ihn leicht entrüstet.
„Oh, meine Töchter interessieren sich für dich. Gestern Abend fiel der dir aus der Tasche, das haben sie gesehen und mir erzählt. Wer hat schon einen Pass in diesem Land?“
„Na, ja, so schwer ist das nun auch wieder nicht“, antwortete ich besänftigt. „Ich besitze den, seit ich mal nach England wollte, zugegeben, bis heute leider umsonst. Hat mich damals ein paar Tausender gekostet.“
Den Anleger finde ich auf Anhieb. Kurz darauf sitze ich auf dem Klo des notdürftig überholten Tragflügelboots, das seine besten Tage zu Sowjetzeiten auf dem Schwarzen Meer verbrachte. Schon kurz nach dem Ablegen, als unser Schiff hinterm Kigamboni-Creek den Zanzibar Channel erreichte, sich unter höllischem Lärm aus dem Wasser hob und immer schneller wurde, kroch mir die Übelkeit in alle Knochen. Die Stewards versicherten mir zwar, um uns herum herrsche „eigentlich“ ruhige See, der „Kanal“ sei schließlich gut geschützt, nur selten gäbe es hier Sturm, trotzdem kommen mir die Wellenberge, auf die wir seitdem andauernd krachen, so hoch vor wie der Kilimanjaro. Rauf auf den Berg, runter ins Tal, immer und immer wieder, und ständig knallt der Bootsrumpf auf irgendwelche kleineren Hügel. Würde ich mich nicht ununterbrochen festkrallen, wäre ich schon ein Dutzend Mal auf den Boden der Herrentoilette geknallt.
Die Ausfahrt aus Dar es Salaams Hafen, den malerischen Fischmarkt am Ausgang der Hafenbucht mit seinen dampfenden Volksküchen, an dem das Schiff zum Greifen nah vorbeizuckelte, die Skyline und all die großen und kleinen Boote vor der Stadt hatte ich noch genossen. Seit das in Russland ausgemusterte Schnellboot allerdings Vollgas gibt, geht’s mir so dreckig wie nie zuvor.
Die Fahrt verbringe ich fast durchgängig auf der Toilette, eine Reling, über die man sich beugen könnte, hat das Boot nicht. Immer mal wieder dämmere ich weg. Für
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