Der Schatz von Njinjo (German Edition)
die Mafia“, kommentierte Großmutter. Nicht umsonst werde so eine Altstadt eben zum Kulturerbe der Menschheit. Irgendwo da mittendrin liegt das „Spice Inn“.
Die sich windenden, winzigen Händler-Gassen sind belebt, überall laufen Leute und Kinder herum, Fahrradfahrer bimmeln sich ihren Weg frei. Es riecht nach Gewürzen, Holz und Mörtel, auch mal nach Urin. Bazar-Atmosphäre allerorten. Nur Einheimische finden sich hier zurecht. Hinter der nächsten Biegung habe ich den Fremden verloren. Kein Blick auf Kolimbas Plan hilft mir mehr weiter, nur Fragen.
„Das Spice Inn? Ja, einfach geradeaus, dann um die dritte Ecke, dort hängt ein Schild, nicht wahr?“, erklärt mir ein Verkäufer aus einem Shop, der mit Postkarten und altem Seeräubergut handelt. Die Gasse aber hat überall Knicks und Zugänge, wo also ist die dritte Ecke? Irgendwann steh ich unvermutet mitten auf einem kleinen Platz, und tatsächlich liegt direkt vor meiner Nase das gesuchte Haus. Verwundert frage ich mich, woher ich bloß gekommen bin.
Ein Blick ins „Spice Inn“, in dessen Erdgeschoss der Besitzer ein Café betreibt, und ich bekomme einen Heidenschreck: Vom Sofa aus blickt mich ganz ungeniert mein „Verfolger“ an. Was weiß der Kerl? Betont lässig trete ich ein, studiere die Wandkarte und suche mir einen freien Stuhl, Tische weit von ihm entfernt. Keine zwei Minuten später blinzelt mich aus der gegenüberliegende Ecke des Raums ein weibliches Wesen an und gibt mir Zeichen.
Hübsch, modern, lebendig, jung: Das Abenteuer ruft! Ich würde ihr bis ans Ende der Insel folgen, doch sie verschwindet schon im Treppenhaus. Magisch angezogen, steh ich auf und folge ihr. Auf einem Zwischengeschoss bleibt sie vor einer schweren Holztür stehen: Sie wartet dort auf mich! Der Flur davor ist eng und schlecht beleuchtet, kein Fenster geht von ihm ab, nur Türen. Überall stehen antike Möbel aus tiefschwarzem Holz, die niemand mehr zu benutzen scheint: Schränke, Kommoden, Sessel, ein Diwan. Unter der Balustrade, die das Treppenhaus abgrenzt, höre ich Lachen und Gespräche aus dem Café. Als ich die Frau fast erreicht habe, verschwindet sie hinter der Tür, doch lässt sie angelehnt. Die Einladung nehme ich sofort an.
Beim Eintreten reißen mich zwei kräftige Arme, die sich von hinten um meinen Körper legen, aus allen Träumen. Flink tasten sie mich ab, dann dröhnt eine Stimme in feinstem Zanzibar-Swahili: „Alles klar, Boss. Der Typ ist sauber.“ Ich sehe mich um: Das Mädchen ist verschwunden. Der Mann, der als Boss tituliert wurde, fasst mich scharf ins Auge: „Du bist also Hannes Wabaye, Neffe Honoratas aus Moshi? Dein Vater ist Kaishe, der Künstler, nicht wahr?“ Verblüfft gerate ich ins Stottern: „Ja, aber woher, woher wissen Sie ...?“ „Oh, wir wissen immer ganz genau, mit wem wir Geschäfte machen.“ Eine Geste, diesmal an einen seiner Lakaien zur Linken, beendet unser „Gespräch“. Der Lakai reicht mir zwei Koffer, deren Griffe schwer in meinen Händen liegen, und führt mich hinaus. Sein Boss hat sich längst anderen Geschäften zugewandt.
Die Treppe zum Erdgeschoss führt direkt am Café vorbei, wo bestimmt noch meine Verfolger sitzt. Ohne gesehen zu werden, lässt sich das „Spice Inn“ nicht verlassen. Bevor ich ins Sichtfeld des Fremden gerate, denke ich fieberhaft nach, wie es jetzt weiter gehen soll. Ich stehe in einer fremden Stadt, in der ich niemanden kenne, mit zwei Koffern voller unverzollter Zigaretten und sonstwelchem illegalen Kram, vor mir verwinkelte dunkle Gassen, zwei Zollstationen und mindestens eine Passkontrolle. Ich kriege Schiss: Wie soll ich diese Koffer nur aufs Festland kriegen? Vielleicht sollte ich gar nicht mit der Fähre fahren, sondern mir einen Fischer chartern, der mich mit seiner Dhow über die kaum vierzig Kilometer breite Meerenge schippert. Doch wie das bezahlen?
Ehe ich mich versehe, kommt hinter mir jemand die Treppe herunter. Noch bevor ich sie sehe, spüre ich, dass es das junge Mädchen ist. Einmal mehr offenbart die sich als Hoffnung säende Fee. Als könne sie Gedanken lesen, fragt sie ganz unschuldig: „Du suchst nach einem Weg, so schnell wie möglich zurück zum Hafen zu kommen?“
„Ja, das ist ziemlich genau das, was mir gerade durch den Kopf geht.“, bestätige ich sie. „Mit dir allerdings darf’s ruhig noch etwas länger dauern.“ Augenblicklich weiß ich, dass ich mal wieder den falschen Ton getroffen habe.
„Schlag dir das aus dem Kopf,
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