Der Schatz von Njinjo (German Edition)
zehnten August finde, entnehme ich, dass Selous am achten des Monats auf dem Plateau in einen Gefecht verwickelt wurde und nicht mehr von der Stelle kam.
Wenn Schuttes Vorfahren in diesen Tagen flüchteten, dann am ehesten vom Nordufer des Matandu Richtung Süden. Kurz darauf stoße ich beim Durchblättern der deutschen Akten, in denen ich praktisch nichts verstehe, auf eine handgemalte Karte, die offensichtlich Ländereien absteckt. In der Mitte liegt der Fluss „Mata-Nudu“, links am südlichen Ufer „Luisenthal“ mit fünf schwarzen Klecksen, ganz rechts „Ndschindscho“. Oberhalb des Flusses befinden sich aneinandergereiht vier, unterhalb drei Rechtecke mit jeweils einem Klecks darin. Gemarkungen, wie ich sie einmal im Schulatlas gesehen habe, vielleicht von Farmen. Die Kleckse kennzeichnen dann Häuser. In jedem Rechteck stehen auch unleserlich ein paar Buchstaben. Einen Schutte finde ich nicht. Ich sollte mir eine Kopie der Karte machen!
Als ich das Blatt aus dem Ordner ziehe, sehe ich, dass auch die Rückseite beschrieben ist. Ein amtlich scheinender Text. Dann stockt mir für einen Augenblick der Atem: Handschriftlich, doch fein säuberlich und gut lesbar steht da unter einem gedruckten Briefkopf, in dem ich das Wort „Kaiser“ entziffere, mitten auf dem Blatt der Name „Schutte“. Nur der Kritzel überm „u“ irritiert ein wenig. Die Zeile beginnt mit zwei Buchstaben, einem großen „V“ und „I“, dann kommt ein Punkt, und dann der Name: „Schutte“. Die Zeichen dahinter schreibe ich so ab, wie ich sie entziffere: „, Fruedbett mut Gemallin Ruthuld“. Das Gekritzel überm „u“ bei Schuttes Namen dürfte belanglos sein.
Aufgeregt lege ich das Blatt zum Kopieren zur Seite, da raunzt mich eine ältere, resolut dreinblickende Frau von vorne an, die den Lesesaal bewacht. „Hey, mister! Nichts herausnehmen! Sie bringen ja alles durcheinander! Das wäre ja wohl noch schöner!“
„Aber ich will mir doch nur schnell eine Kopie machen!“
„Mein Herr, so geht es hier nicht zu. Kopien machen wir grundsätzlich nicht, und wenn überhaupt, dann machen wir sie selbst.“
„Wie bitte?“
„Mister, Sie scheinen nicht von hier zu sein. Da drück ich einmalig mal ein Auge zu. Aber ziehen sie auf gar keinen Fall auch nur noch ein einziges Mal irgendein ein Blatt irgendwo heraus! Dann lasse ich sie sofort rausschmeißen.“
„Gute Frau ...“
„Hören sie, junger Mann, weder bin ich ihre ‚gute Frau’ noch haben sie hier irgendwas zu sagen. Seien sie einfach wieder still, sie stören.“
Sprachlos sinke ich vor ihr zusammen. Nachdem sie sich beruhigt und ihre Aufmerksamkeit wieder von mir abgezogen hat, flüstert mich von der Seite einer der Studenten an. „Wenn du etwas kopieren willst, kennzeichne die Seite und gib mir den Ordner kurz mit. Ich mach das für dich. Kostet dich zwei Tausender.“ Mein letztes Geld! Wenn ich mich auf den Deal einlasse, kann ich heute nichts mehr essen ...
Wenig später schiebe ich dem Studenten den Ordner zu, der ihn zwischen seine eigenen klemmt und kurz darauf verschwindet. Die Aufpasserin nimmt keinerlei Notiz von ihm, auch ich scheine ihr unverändert schnurzpiepegal. Gleichwohl wird mich dieser Drachen kaum aus dem Lesesaal lassen, ohne dass sie den Ordner zurückbekommt. Also warte ich. Fast eine halbe Stunde lang verharre ich unauffällig mucksmäuschenstill an meinem Platz. Hat der mich etwa verraten? Dann endlich, kurz bevor mein Angstschweiß trocknet, ist der Student zurück und gibt mir Zeichen. Ich schnappe mir den Ordner und kann gehen. Auf dem Flur vorm Ausgang passt er mich ab, ich stecke ihm vier Scheine zu, und er gibt mir drei Blatt Papier. Die Karte!
Beim Hinausgehen kommt mir Direktor Roh mit ausgestreckter Hand entgegen: „Na, Erfolg gehabt?“
„Ja, ich glaube schon. Jetzt weiß ich, vor wem die Vorfahren flohen, die im Brief erwähnt werden“, lüge ich.
„Was für ein Brief? Den würde ich ja gern mal sehen ...“
Verplappert, Mist. Dabei kenn ich den Wisch ja gar nicht. „Geht leider nicht, den hab ich nicht dabei. Ist auch nicht so wichtig. Was mir über diese Siedler erzählt wurde ...“
„Waren das denn Europäer?“ Roh fragt freundlich, eher gelangweilt denn interessiert.
„Diese Vertriebenen? Ja.“, bestätige ich spontan und merke dann erst, dass er das ja gar nicht wissen konnte. „Ihr Informant auch?“ „Ja, ein muzungu .“ „Na, dann: Herzlichen Glückwunsch!“ Unvermittelt bricht der Direktor
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