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Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition)

Titel: Der Schauermann - Historischer Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Barkawitz
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Rechte. Ausländer wie Golodin konnten nur auf Arbeit hoffen, die den deutschen Schauerleuten zu schlecht bezahlt und zu schmutzig war. Zum Beispiel als Kedelklopper. Doch wie sollte das gehen, wenn er nicht durch ein Mannloch passte?
    »Und wo hast du nun gearbeitet, Golodin?«
    »Hier und da, Exzellenz. Ich bin ja Schlachter, und ich kenne inzwischen einige russische Landsleute in Hamburg. Denen habe ich bei Hausschlachtungen geholfen. Das bringt nicht viel ein, aber was will man machen? – Aber aus welchem Grund haben Sie mich denn nun eingefangen, Exzellenz?«
    Boysen dachte nach. Ein Schlachter – konnte es eine bessere Erklärung für das Blut auf der Joppe geben? Die Fleischer in den offiziellen Handwerksbetrieben verfügten natürlich über lederne Metzgerschürzen, aber bei einer Hausschlachtung in irgendeinem Hinterhof konnte man so etwas nicht erwarten. Golodins Geschichte war stichhaltig, zumindest gab es nun eine Erklärung für seine blutbefleckte Kleidung. Doch das änderte nichts an der Tatsache, dass Golodin der ideale Täter war, jedenfalls in den Augen von Inspector Lanke. Golodin war ein russischer Auswanderer, dem niemand eine Träne nachweinen würde, wenn er in Hamburg wegen Mordes am Galgen endete.
    Boysen hielt es für äußerst unglaubwürdig, dass Golodin mit seinen schlechten fauligen Zähnen die Halsschlagadern dieser Mädchen zerfetzt haben sollte. Aber selbst dieser Umstand würde die Justiz nicht daran hindern, ihn zu verurteilen, wenn man keinen anderen Tatverdächtigen fand. Darüber machte sich der Offiziant keine Illusionen.
    Boysen holte tief Luft. Dann erzählte er Golodin von den Mädchenmorden.
    »Das war ich nicht, Exzellenz«, beteuerte der Russe. Aber er fügte fatalistisch hinzu: »Naja, mich haben Sie wenigstens hinter Schloss und Riegel.«
    Der Offiziant sagte sich, dass Golodin keineswegs so dumm war, wie er, Boysen, angenommen hatte. Der Verdächtige war sich vollkommen darüber im Klaren, dass er einen erstklassigen Sündenbock abgab.
    »Du hast die Frauen also nicht getötet?«, vergewisserte sich Boysen.
    »Nein, Exzellenz.«
    »Wo wohnst du überhaupt?«
    »Bei einem Landsmann, in der Silbersackstraße 11.«
    Boysen notierte sich die Adresse. Dann sagte er: »Wir werden überprüfen, ob deine Angaben stimmen. Es gibt eine Zeugin, die kurz mit dem Mörder aneinandergeraten ist. Es wird sich zeigen, ob sie in dir den Verbrecher erkennt. – Hast du das hier schon einmal gesehen?«
    Während er den letzten Satz aussprach, hielt Boysen Golodin den goldenen Manschettenknopf unter die Nase.
    »Nein, Exzellenz.«
    Die Verblüffung des Russen schien echt zu sein.
    Boysen steckte das Corpus Delicti wieder weg. »Ich werde später noch einmal mit dir reden«, sagte er zum Abschied. »Wenn du mir versprichst, keinen Tumult zu veranstalten, lasse ich deine Fesseln lösen und dir etwas zum Essen bringen.«
    »Ich verspreche es, Exzellenz«, versicherte Golodin mit hündischer Ergebenheit. Möglicherweise spürte er, dass Boysen der Einzige war, der ihn vor einem sicheren Todesurteil bewahren konnte. Von seiner früheren Feindseligkeit war in diesem Moment nichts mehr zu spüren. Golodin setzte offensichtlich seine Hoffnungen auf den Hamburger Offizianten.
    Allerdings sind meine Machtbefugnisse äußerst beschränkt, dachte Boysen pessimistisch, als er mit seinen Begleitern die Arrestzelle wieder verließ.
    Wie um seine düsteren Vorahnungen zu bestätigen, befand sich Inspector Lanke erneut im Dienstraum der Brooktor-Wache, als der Offiziant durch die Tür des Zellentraktes trat.
    »Erstklassige Arbeit, mein guter Boysen!«, tönte der Vorgesetzte und klopfte Boysen jovial auf die Schulter. Der Offiziant lächelte, als ob er in eine saure Zitrone gebissen hätte. Er musste sich nicht fragen, woher der Inspector so schnell von der Verhaftung Wind bekommen hatte. Mindestens einer von Boysens Constablern sperrte für den obersten Beamten der Hamburgischen Polizeibehörde die Ohren auf. Darüber war sich der Offiziant im Klaren.
    »Da sind noch einige Ungereimtheiten abzuklären, Herr Inspector«, begann Boysen vorsichtig, aber Lanke schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.
    »Papperlapapp, wir wollen doch jetzt nicht in Übereifer verfallen, nicht wahr? Was ich über den Verdächtigen gehört habe, ist belastend genug. Wir überstellen ihn noch heute zum Holstenglacis, und Sie und Ihre Männer können sich wieder ganz der Bekämpfung der Cholerafolgen widmen. Der Fall ist

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