Der Scheich
er immer wieder auf Biskra zu sprechen, eine Stadt, von der sie nichts mehr hören mochte. Oder er redete über Oran, das sie nicht kannte. Deshalb begrüßte sie die Ankunft in der kleinen Oase, wo der Führer die Mittagsrast halten wollte. Diana stieg ab, warf ihre Handschuhe beiseite und streckte sich. Nach dem langen Ritt unter der heißen Sonne freute sie sich auf Abwechslung. Vor allem verspürte sie einen gesunden Appetit. Wohlgefällig inspizierte sie ihr Mittagessen. Von jetzt an würde es nicht mehr so sorgsam verpackt sein. Stephens verstand es meisterhaft, Picknickkörbe zurechtzumachen.
Nach der Mahlzeit setzte sie sich unter eine Palme. An den Stamm gelehnt, eine Zigarette im Mund, schlang sie zufrieden ihre Arme um die Knie und betrachtete die Wüste. Tiefe Mittagsstille lag über dem Land. Zwischen den Palmwedeln regte sich kein Lüftchen, und das einzige Lebewesen weit und breit war eine Eidechse auf einem nahen Felsen. Sie blickte über ihre Schulter. Offenbar schliefen die Männer, die Köpfe unter den weiten Roben verborgen. Nur Mustafa Ali stand am Rand der Oase und starrte in die Richtung, die sie später einschlagen würden.
Diana warf ihren Zigarettenstummel nach der Eidechse und lachte über die hastige Flucht des kleinen Reptils. Natürlich beabsichtigte sie nicht, dem Beispiel ihrer Eskorte zu folgen und zu schlafen. Keine einzige Minute dieses wundervollen Abenteuers wollte sie vergeuden, indem sie eine Ruhepause einlegte, die sie gar nicht brauchte. Unbeschwert genoß sie die Aussicht, restlos glücklich mit ihrem Leben, an dem sie nichts ändern mochte. Bisher war es höchst angenehm verlaufen. Jedem einzelnen Augenblick hatte sie die größte Freude abgewonnen. Daß sie diesen Umstand ihrem Reichtum verdankte, der es ihr ermöglichte, ihrem geliebten Sport zu frönen oder monatelang zu verreisen - dieser Gedanke kam ihr niemals in den Sinn.
Nur weil sie wohlhabend war, konnte sie sich alle Wünsche erfüllen. Doch mit solchen Überlegungen befaßte sie sich nicht. Ihr Vermögen kümmerte sie ebensowenig wie ihre Schönheit. Anläßlich ihrer Großjährigkeit hatte sie einige Formalitäten erledigen müssen, um das beträchtliche väterliche Erbe antreten zu können - eine eher lästige Pflicht, die sie so schnell wie möglich hinter sich brachte. Den Einzelheiten hatte sie kaum Aufmerksamkeit geschenkt, sofern es der alte Familienanwalt zuließ. Schon das achtlose Gekritzel, mit dem sie die diversen Dokumente unterschrieben hatte, zeigte ihr Desinteresse.
Geld an sich bedeutete ihr nichts. Für sie war es nur Mittel zum Zweck. Im Lauf der Jahre hatte sie nie bedacht, wieviel die häufigen luxuriösen Expeditionen mit ihrem Bruder kosteten. Sie selbst stellte keine hohen Ansprüche. Abgesehen von den notwendigen teuren Jagdgeräten, die Sir Aubrey auswählte, war sie nicht extravagant.
An einem schönen Septembervormittag, den sie lieber im Freien verbracht hätte, saß sie mit dem Familienanwalt in der Bibliothek und studierte langweilige Zahlenreihen. Die sagten ihr nichts, als daß sie in Zukunft nur noch ein dummes Papier zu unterzeichnen brauchte, wenn sie etwas haben wollte, anstatt die Angelegenheit wie früher ihrem Bruder zu überlassen.
Sie hatte nicht verstanden, warum ihr der Anwalt am Ende der geschäftlichen Besprechung so formell gratuliert hatte, und es machte sie verlegen. Sie sah keinen Grund für seine Glückwünsche, die ihr albern und überflüssig erschienen, denn sie wußte nicht viel über die Realitäten des Lebens - und auch nicht über die gesellschaftlichen Bande und Verpflichtungen ihrer Familie. Aubreys kühle, lieblose Erziehung hatte tiefere Gefühle gegenüber den Mitmenschen bereits im Keim erstickt. In Dianas Welt existierte keine Liebe. Und vor der Leidenschaft schreckte sie instinktiv zurück, mit dem gleichen Ekel, den Schmutz und Unrat hervorriefen.
Warum sie in einigen Männern gewisse Gefühle weckte, begriff sie nicht - ein Ärgernis, das sie im Lauf der Zeit immer unerträglicher fand. Dafür haßte sie die Männer und gleichzeitig auch sich selbst. Sie verachtete ihre Bewunderer. Keinen von ihnen hatte sie so freundlich behandelt wie Jim Arbuthnot, und auch das nur, weil sie an jenem Abend so glücklich gewesen war. Nicht einmal der unwillkommene Hinweis auf ihr weibliches Geschlecht und die Erkenntnis, daß sie von einem Mann begehrt wurde, hatten ihre Vorfreude auf die Reise getrübt.
Aber mit unerquicklichen Reminiszenzen wollte sie sich
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