Der Scheich
und taumelte blindlings in die Richtung des angrenzenden Raums. Doch die Stimme des Scheichs hielt sie zurück, als sie die Vorhänge erreichte. Er hatte die Zeitschrift zu Boden geworfen und lag auf dem Diwan, die langen Beine lässig ausgestreckt, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. «Was für einen charmanten Jungen du abgibst ...» meinte er lässig. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. «Aber in Biskra sah ich keinen Jungen. Verstehst du, was ich meine?»
Hinter dem Vorhang blieb sie stehen und schlug zitternd die Hände vors Gesicht. Endlich brauchte sie sich nicht mehr zu beherrschen. Oh, ja, sie verstand ihn nur zu gut! Diese Erkenntnis war ihr förmlich aufgenötigt worden - von einem Mann, der es gewohnt war, daß man seinen Befehlen gehorchte. Und nun wollte er sie zwingen, sich hübsch zurechtzumachen, damit sie ihm noch besser gefiel. Noch nie hatte jemand gewagt, sie so anzusehen wie dieser Mann, der sie nun gefangenhielt. Seine abschätzige Bemerkung hatte ihr überdeutlich vor Augen geführt, daß sie eine Frau war, und sie fühlte sich wie Ware auf einem Sklavenmarkt.
Nun mußte sie die Männerkleidung ablegen, die ihr immer wieder ein wenig Mut machte, um diesen Unmenschen im Nebenraum bei Laune zu halten. Die Abendrobe würde ihre schlanke Figur und ihre aparte Schönheit noch mehr betonen.
Mit schleppenden Schritten ging sie zum Toilettentisch und starrte vorwurfsvoll auf das bleiche Gesicht, die glanzlosen Augen, die ihr aus dem Spiegel entgegenstarrten. Das Antlitz einer Fremden ... Plötzlich erinnerte sie sich an Aubreys Vorwürfe. Welch eine bittere Ironie des Schicksals! Diesmal zog sie sich nicht zu ihrem eigenen Vergnügen um. Ihre Miene war steinern, und ihre Augen verdunkelten sich vor Zorn. Doch dahinter lauerte die Angst. Bei jedem Geräusch von nebenan zuckte sie zusammen, und ihre schweißnassen Finger taten kaum ihren Dienst. Sie haßte diesen Mann, sie haßte sich selbst, sie haßte die Schönheit, der sie dieses Grauen verdankte. Wäre sie tapfer genug gewesen, hätte sie rebelliert. Doch sie beeilte sich, ohne darüber nachzudenken - so weit hatte die Furcht sie schon getrieben.
Aber als sie fertig war, blieb sie vor dem Toilettentisch stehen. Die Angst hatte sie zur Hast gedrängt. Aber ihr Stolz verbot ihr, diesem Gefühl noch länger zu gehorchen. Als sie müde in den Spiegel blickte und erbost ihre blassen Wangen betrachtete, meldete sich wieder ihr Selbstbewußtsein. Sollte sie den spöttischen Blick des Scheichs kreidebleich und wie ein geprügelter Hund ertragen? Fehlte ihr denn der Mut, um die Furcht zu verbergen, für die sie sich selbst verachtete? Maßlose Wut trieb ihr das Blut ins Gesicht. Befriedigt beugte sie sich zu ihrem Spiegelbild vor. Doch schon im nächsten Moment erstarrte sie, und ihre Finger krampften sich um die Tischkante. Sie sah zwar weiterhin in den Spiegel, betrachtete aber nicht ihre eigenen Züge, sondern das weiße Gewand, das hinter ihr erschienen war und ihr die Sicht versperrte.
Lautlos wie zuvor war der Scheich eingetreten. Als er sie herumriß, wich sie seinem bewunderndem Blick aus, soweit es sein
fester Griff erlaubte. Mit einer Hand umfaßte er ihren Arm, mit der anderen hob er lächelnd ihr Gesicht zu sich empor. «Schau nicht so verängstigt drein! Ich brauche nur ein bißchen Seife und Wasser. Sogar ein Araber darf sich doch hin und wieder die Hände waschen.»
Wie grausam er ihre Furcht verhöhnte! Aber sie schluckte ihre Antwort herunter. Lachend zuckte er die Achseln, ließ sie los, nahm ein Rasiermesser vom Toilettentisch und verschwand im Bad.
Mit feuerroten Wangen floh sie in den Nebenraum. Der Mann benahm sich so zwanglos, als wäre sie seit Jahren mit ihm verheiratet. Während sie auf ihn wartete, tobten heftige Gefühle in ihr. Aber sobald Gaston das Dinner servierte, spielte der Scheich wieder den höflichen, rücksichtsvollen Gastgeber, so wie nach seiner Rückkehr ins Lager. Er hatte sich um ein paar Minuten verspätet. Deshalb bat er sie um Verzeihung, ehe er ihr gegenüber Platz nahm. Auch während der Mahlzeit benahm er sich untadelig, und weil Diana den wachsamen Blick des Dieners spürte, versuchte sie, möglichst unbefangen Konversation zu machen.
Ahmed Ben Hassan sprach hauptsächlich von der Wüste und den diversen Sportarten, die man hier betreiben konnte, als hätte er sich über ihre Hobbys erkundigt und das Thema gewählt, um sie zu erfreuen. Er war ein interessanter, wortgewandter Gesprächspartner und
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