Der Scheich
mir - nur allzugern. O, Allah! Wie sie mich langweilten! Noch bevor ihre Gefühle erloschen, wurde ich ihrer überdrüssig.»
Mit einem trockenen Schluchzen legte sie einen Arm über ihre Augen und rückte von ihm weg. An solche Dinge hatte sie in ihrer Unschuld nie gedacht. Sie war nur eine von vielen Kurtisanen, genommen und verstoßen, je nach Lust und Laune. Von brennender Scham überwältigt, flüsterte sie: «O, Sie kränken mich...» Dann siegte die blinde Wut über alle anderen Gefühle. Sie schüttelte seine Hand ab, die auf ihrer Schulter ruhte, und sprang auf. «Oh, Gott, ich hasse Sie. Verstehen Sie? Ich hasse Sie! Ich hasse Sie!»
Gemächlich zündete er sich eine Zigarette an, bevor er antwortete, und lehnte sich bequem in die Kissen. «Das hast du mir bereits heute nachmittag gestanden», erwiderte er kühl. «Und je öfter du diese Erklärung wiederholst, desto weniger vermag sie mich zu überzeugen, ma chère .»
So schnell, wie ihr Zorn aufgeflammt war, verflog er wieder. Sie war zu müde, um sich zu ärgern. Gedemütigt und verletzt, musterte sie den Mann, der die Macht besaß, ihr noch schlimmeres Leid anzutun. Doch er hatte sie in seiner Gewalt, und an diesem Abend fehlte ihr die Kraft, um Widerstand zu leisten. Seufzend strich sie sich das Haar aus der Stirn, betrachtete die langen, auf der Couch ausgestreckten Beine des Scheichs, denen die Kraft sogar in Ruhehaltung anzusehen war, und das attraktive, unergründliche Gesicht.
Das Gefühl der Hilflosigkeit kehrte zurück, begleitet von einer erdrückenden Schwäche, die ihr die Frage entlockte: «Hatten Sie niemals Mitleid mit Geschöpfen, die nicht so stark sind wie Sie? Waren Sie noch nie in Ihrem Leben bereit, jemanden zu verschonen? Sind Sie denn durch und durch grausam? Sind alle Araber so unbarmherzig?» Fast unhörbar fügte sie hinzu: «Hat die Liebe Sie niemals zur Milde verleitet?»
Lachend schüttelte er den Kopf. «Liebe? Connais pas! O, ja, ich liebe meine Pferde», verkündete er spöttisch.
«Wenn Sie ihnen nicht den Garaus machen.»
«Ich lasse mich gern verbessern: Wenn ich ihnen nicht den Garaus mache.»
In seiner Stimme schwang irgend etwas mit, das sie reizte, ihm weh zu tun. «Wenn Sie die Frauen nicht lieben, die Sie hierherbringen - lieben Sie wenigstens Ihren Harem? Ich nehme an, Sie halten sich irgendwo einen Harem?» forderte sie ihn verächtlich heraus. Aber noch während sie sprach, wußte sie, daß sie nur sich selbst verletzte.
Plötzlich packte er sie und zog sie grinsend in seine Arme. «Wärst du eifersüchtig? Wenn ich die Nächte, in denen ich dich allein lasse, in meinem Harem verbrächte - was dann?»
«Dann möge Allah einer Ihrer Frauen befehlen, Sie zu vergiften, damit Sie nie mehr zurückkommen!» zischte sie.
«So schön und so blutrünstig!» neckte er sie. Dann drehte er ihr Gesicht zu sich herum und schaute belustigt in ihre funkelnden Augen. «Nein, cherie , ich habe keinen Harem und keine Ehefrau, Allah sei Dank. Bist du jetzt zufrieden?»
«Warum sollte mich das interessieren?» entgegnete sie in scharfem Ton und errötete. «Es ist mir völlig gleichgültig.»
Dann drückte er sie an sich, sah sie an, mit jener hypnotischen Macht, der sie trotz aller Mühe niemals widerstehen konnte. «Soll ich dein Interesse wecken? Soll ich dich zwingen, mich zu lieben? Solche Gefühle vermag ich in allen Frauen zu erregen, wenn ich es will.»
Ihre Lider bebten, und sie wurde leichenblaß. Natürlich wußte sie, daß er sich nur lustig über sie machte. Ihre Gefühle bedeuteten ihm nichts. Ob sie ihn liebte oder haßte war ihm einerlei. Jetzt wandte er nur eine neue Foltermethode an, die ihr noch abscheulicher erschien als alles, was er ihr bisher angetan hatte. Oh, diese Frechheit! Allein schon der Gedanke, sie könnte ihn gern haben und nicht mehr für einen brutalen Barbaren halten, ihren Haß und ihre Verachtung vergessen ... Und wie schamlos er sie mit ihren Vorgängerinnen verglich! Damit erniedrigte und beschmutzte er sie. Und sie hatte geglaubt, der Höhepunkt der Demütigung wäre längst erreicht.
Ihr stieg das Blut in die Wangen. «Es wäre mir lieber, Sie würden mich töten!» fauchte sie.
«Vielleicht würde ich das auch vorziehen», entgegnete er trocken, «denn wenn du mich liebtest, würdest du mich langweilen, und ich müßte dich gehen lassen. Aber so, wie die Dinge liegen ...» Er lachte leise. «... bedauere ich den Zufall nicht, der mich an jenem Tag nach Biskra führte.» Er ließ sie los,
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