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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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stand gähnend auf und beobachtete wohlgefällig, wie sie das Zelt durchquerte. Mit ihrer knabenhaften Gestalt und dem trotzig erhobenen Kopf erinnerte sie ihn an eines seiner Vollblüter. Sie war genauso schön und wild wie diese Pferde. Und er würde auch Diana Mayo zähmen. Fast hatte er es schon geschafft, aber noch nicht ganz, und bei Allah, er mußte ihren Widerstand vollends brechen.
Als er sich umdrehte, stieß sein Fuß gegen die Jadekette, die am Boden lag. Er hob sie auf und rief Diana zu sich.
Langsam und zögernd kam sie näher, ein trotziges Funkeln in den Augen. Schweigend hielt er ihr die Kette hin, und sie starrte ihn wortlos an. Während ihr Herz schmerzhaft gegen die Rippen hämmerte, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. «Nimm den Schmuck», befahl er. «Ich wünsche es.»
«Nein», hauchte sie.
«Um mir zu gefallen, wirst du ihn tragen.» Der verhaßte Spott kehrte in seine Augen zurück. «Um meinen künstlerischen Sinn zu befriedigen. Obwohl ich nur ein Araber bin, besitze ich einen beachtlichen Kunstverstand.»
«Trotzdem werde ich die Kette nicht tragen.»
Sofort erlosch der Spott in seinen Augen, besiegt von der gewohnten herrischen Glut, und er runzelte drohend die Stirn. «Gehorche mir, Diane!»
Sie biß sich auf die Unterlippe, bis ein Blutstropfen hervorquoll. Wenn er die Stimme erhoben hätte wie jeder normale zornige Mann, hätte sie sich länger gegen ihn behaupten können. Aber diese kalte Wut wirkte viel unheimlicher und furchterregender. Obwohl er stets leise, langsam und bedächtig sprach, hörte sie manchmal einen gewissen Unterton heraus. Das und seine Miene erschreckten sie viel mehr als ein gewöhnlicher Wutanfall. Sie beobachtete immer wieder, wie seine Männer vor ihm zurückwichen, auch wenn er ganz sanft mit ihnen sprach. Mit einem einzigen Blick hatte er einen lautstarken Streit zwischen seinen Leuten beendet, der zu dicht an seinem Zelt stattgefunden hatte.
Auch jetzt sah sie diesen Blick, hörte den gefährlichen Klang seiner leisen Stimme. Jede Gegenwehr war zwecklos, denn sie konnte die Angst vor ihm nicht ertragen. Also mußte sie gehorchen, so wie immer, wenn er sie dazu zwang. Sie wich seinen hypnotischen Augen aus. Ihr Kinn zitterte, als sie blindlings eine Hand ausstreckte und die Jadekette entgegennahm. Aber sobald sie die kalten Steine an ihrem Hals spürte, erwachte ihr Mut von neuem, der noch nicht ganz erloschen war.
Herausfordernd warf sie den Kopf in den Nacken und wollte schon etwas sagen, doch er zog sie rasch an sich und hielt ihr den Mund zu. «Ich weiß, ich weiß», meinte er kühl, «ich bin ein brutales Ungeheuer, ein Teufel in Menschengestalt. Das brauchst du mir nicht noch einmal zu erklären, denn es beginnt mich zu langweilen.» Seine Hand glitt über ihre Schulter hinab und umfaßte ihren weichen Arm. «Wie lange willst du mich noch bekämpfen? Wäre es nicht klüger, meine Überlegenheit anzuerkennen - nach allem, was du heute gesehen hast?»
«Und wenn ich mich weigere? Behandeln Sie mich dann genauso wie das Fohlen?» Obwohl sie sich gegen seinen Blick wehrte, zog er sie magnetisch an.
«Mein Wille ist Gesetz, das mußt du begreifen.»
«Und wenn ich es bestreite?»
Was sie flüsterte, hörte er kaum, aber er erriet es. «Dann bringe ich es dir bei. Und du wirst es bald lernen.»
Sie erschauderte in seinen Armen. Auf welche Weise würde er seine Drohung wahrmachen? Wieder fielen ihr all die gräßlichen Einzelheiten dieses Nachmittags ein. Wenn er eine Strafe verhängte, kannte er keine Gnade. Wie weit würde er gehen? In diesem Land herrschten andere Maßstäbe als in Europa. Und die Frauen führten ein gefährliches Leben in der Wüste. Manchmal vergaß sie, daß der Scheich ein Araber war, bis er sie unmißverständlich darauf hinwies - so wie jetzt.
Oh, ja, er war ein Araber, und eine Frau durfte keine Gnade von ihm erwarten. Als sie die Finger betrachtete, die ihre Schulter umklammerten, glaubte sie wieder, die straff gespannten Zügel darin zu sehen - und das Blut auf der braunen Haut. Aus bitterer Erfahrung kannte sie den eisernen Griff dieser schlanken Hände, die unbezähmbare Kraft dieser Arme. Und ihre lebhafte Phantasie eilte in die Zukunft. Was sie bereits erlitten hatte war harmlos - verglichen mit den Qualen, die ihr noch bevorstanden. Vor ihrem geistigen Auge erschien die blutüberströmte, verkrümmte Gestalt des Dieners, den er so unbarmherzig gezüchtigt hatte. In ihr tobte der inbrünstige Wunsch, ihren starken Willen und

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