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Der Scheich

Titel: Der Scheich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Maude Hull
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nichts sehnlicher, als sie vor ihrem Elend zu retten.
Dann erschauderte er. Ließ er sich vom Überschwang der Gefühle mitreißen? Ahmed war sein Freund. Woher nahm er das Recht, ihn zu verurteilen? Zumindest mußte er ehrlich mit sich selbst sein und sich der Wahrheit stellen: Er begehrte, was ihm nicht zustand, und er tarnte seinen Neid mit einer Heuchelei, die ihm nun abstoßend erschien. Jetzt erschien es ihm wie eine Entweihung, Diana in den Armen zu tragen. Behutsam legte er sie auf die niedrige Couch, breitete die dünne Decke über ihre zarte Gestalt und ging langsam in den Nebenraum.
Er schickte Henri weg und setzte sich neben den Diwan, um Wache zu halten, bedrückt von einer Müdigkeit, die allerdings nicht körperlich war. Im großen Zelt herrschte eine beklemmende, unheilschwangere Stille, die an Saint Huberts ohnehin angespannten Nerven zerrte. Doch da er seine innere Ruhe dringend brauchte, riß er sich energisch zusammen. Ahmed Ben Hassan rührte sich nicht.
Erst als die ersten warmen Sonnenstrahlen ins Zelt fielen, bewegte er sich rastlos und murmelte im Fieberwahn. Der abwechselnd arabische und französische Wortschwall war zunächst unverständlich. Dann aber sprach der Kranke langsamer, und Saint Hubert hörte klare, stockende Sätze. Das Gesicht in den Händen vergraben, dankte er dem Allmächtigen, der Diana die Enthüllungen der letzten vier Monate ersparte.
«Zwei Reitstunden südlich von der Oase mit den drei abgebrochenen Palmen am Brunnen ...» Am Anfang sprach Ahmed arabisch, dann ging er zu fließendem Französisch über. «Still, kleine Närrin, jeder Widerstand ist zwecklos. Sie können nicht entkommen, ich lasse Sie nicht gehen... Nun habe ich Sie hierhergebracht. Fragen Sie tatsächlich, warum? Mon Dieu ! Das wissen Sie nicht? Sind Sie denn keine Frau? Nein! Ich werde Sie nicht schonen. Geben Sie mir freiwillig, was ich will, und ich werde Sie freundlich behandeln. Aber wenn Sie gegen mich kämpfen, bei Allah, werden Sie dafür büßen ... Ich weiß, du haßt mich. Das hast du mir bereits gestanden. Soll ich dich zwingen, mich zu lieben ... Immer noch ungehorsam? Wann wirst du begreifen, daß ich dein Herr bin ... Noch bin ich deiner nicht müde, du schöner, wilder kleiner garçon manqué [falscher Junge]. Du sagst, sie sei eingeschüchtert, Raoul. Und ich sage, sie ist zufrieden. Bereitwillig gibt sie mir alles, was ich von ihr verlange ... Vor vier Monaten hat sie mich bekämpft. Warum empfinde ich keine Freude, nachdem ich sie endlich gezähmt habe? Warum begehre ich sie immer noch? Sie ist Engländerin, und ich lasse sie bezahlen für meinen Haß gegen dieses verfluchte Volk. Um mein Gelübde zu halten, habe ich sie gequält. Und ich begehre sie immer noch. Diane, Diane, wie schön du bist!... Welcher Teufel zwingt mich, Raoul nach zwanzig Jahren zu hassen? Gestern abend sprach sie nur mit ihm, und als er ging, beschimpfte ich sie, bis ich das nackte Entsetzen in ihren Augen las. Sie fürchtet mich. Warum frage ich mich, ob sie ihn liebt?... Als ich zu ihr ging, wußte ich, daß sie nicht schlief. Ich fühlte ihr Zittern an meiner Seite ... Und ich wollte Raoul töten, weil er sich weigerte, mich zu begleiten. Und deshalb kehrte ich nicht zu ihr zurück ... Allah! Wie lange dieser Tag war - auch für sie? Wird sie lächeln oder zittern, wenn ich heimkomme?... Wo ist Diane?... Diane, Diane, wie konnte ich wissen, wieviel du mir bedeutest? Wie sollte ich meine Liebe zu dir erkennen?... Diane, Diane, mein Sonnenschein. Ohne dich ist das Zelt kalt und dunkel ... Ibraheim Omair! Dieser Teufel und Diane! Oh, Allah! Hilf mir, sie zu retten ... Wie die Schakale heulen ... Sieh doch, Raoul, da sind die Zelte ... Diane, wo bist du?... Grand Dieu! Er hat sie gequält! ... Du wußtest doch, ich würde kommen, ma bien-aimée , nur noch ein paar Augenblicke. Sobald ich ihn getötet habe, werde ich dich umarmen. Dieu! Wenn du wüßtest, wie sehr ich dich liebe ... Diane, Diane, alles ist schwarz, und ich sehe dich nicht mehr, Diane, Diane ...»
Noch stundenlang erklang die müde, hoffnungslose Stimme: «Diane, Diane...»

Neuntes Kapitel
    Gegen Abend hob Diana benommen die schweren Lider. Der bittere Geschmack in ihrem Mund rührte von dem Betäubungsmittel her, das Saint Hubert ihr verabreicht hatte. Neben dem Bett lag ihre Kleidung bereit, gefaltet auf jene typische Weise, die Zilahs Werk verrieten. Doch das Mädchen selbst ließ sich nicht blicken.
Die Lampe brannte, und Diana wandte träge

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